Dieses Wort hatte auch Markus Blum noch nie gehört: Einfühlungsverhältnis. Bevor er bei der Spedition TDK Güterkraftverkehr in Bochum einen Job bekommen könne, müsse er ein solches Verhältnis eingehen, erklärte man ihm dort. Zweck der Sache sei es, "eine etwaige zukünftige Tätigkeitsmöglichkeit" kennenzulernen. Das Einfühlungsverhältnis dauerte fünf Tage und wurde nicht vergütet.

Für Helmut Platow von der Rechtsabteilung beim ver.di-Bundesvorstand in Berlin, ist das sogenannte Einfühlungsverhältnis schlicht "eine Form der Ausbeutung". Auch Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim DGB-Bundesvorstand, spricht von "Ausbeutung". Gerechtfertigt würden Einfühlungsverhältnisse damit, dass Arbeitgeber und -nehmer sich erst einmal beschnuppern müssten. "Aber darum geht es im Regelfall nicht", kontert Perreng. "Es soll gearbeitet werden - und zwar umsonst." Fürs Kennenlernen sei die Probezeit da, argumentiert die Arbeitsrechtlerin. Und das genüge.

Unterschiedliche Auffassungen vertreten die Gerichte: Das Landesarbeitsgericht Bremen hält es für zulässig, eine unbezahlte "Kennenlernphase" zu vereinbaren (Urteil vom 25. Juli 2002). Das Arbeitsgericht Iserlohn war hingegen im Februar 2005 der Meinung, Einfühlungsverhältnisse seien mit befristeten Arbeitsverhältnissen gleichzusetzen; im selben Jahr entschied jedoch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, dass Einfühlungsverhältnisse nicht vergütet werden müssen. Der Bundestagsfraktion Die Linke war das Thema schon 2006 eine kleine Anfrage wert. Die schwarz-rote Bundesregierung antwortete damals: Zwar bestehe die Gefahr der Umgehung von Arbeitnehmerschutzrechten, aber grundsätzlich sei ein unbezahltes Einfühlungsverhältnis zulässig, das ergebe sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Vertragsfreiheit. Weil die missbräuchliche Ausnutzung von Einfühlungsverhältnissen (Verpflichtung zu Arbeitsleistung ohne Vergütung) bereits nach geltendem Recht unzulässig sei, sehe die Bundesregierung keinen gesetzlichen Handlungsbedarf.

Selbst was tun

Also müssen sich Arbeitnehmervertreter selber helfen. Dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der größten Fitness-Studio-Kette Fitness First, Hendrik Beyer, ist das gelungen. Für den Standort Hannover hat er 2009 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wonach der Arbeitgeber mit Bewerber/innen nur ein eintägiges Probearbeiten frei vereinbaren darf; geht es darüber hinaus, muss der Betriebsrat eingeschaltet werden. Zuvor hatte es in dieser Sache "ziemlichen Wildwuchs" gegeben, sagt Beyer. Doch das sei vorbei, der Arbeitgeber halte sich an die Betriebsvereinbarung, "die Umsetzung klappt".

Die Geschichte von Markus Blum endete nicht so gut. Er bekam zwar einen Job als Auslieferungsfahrer bei TKD. Für 950 Euro Grundlohn im Monat arbeitete er 48 Stunden in der Woche. Aber noch in der Probezeit wurde er entlassen. Mehrere hundert Euro Lohn stehen aus, seit Dezember 2009 klagt der DGB-Rechtsschutz das Geld für ihn ein.

Norbert Hüsson