2700 Selbstständige und Freie betreut Ulrike Fürniß. Viele vermuten, in einem verkappten Arbeitsverhältnis ohne Sozialversicherung zu stehen, und fürchten, sich als Schwarzarbeiter strafbar zu machen. Fürniß beruhigt sie. "Der Paragraph 7 im Sozialgesetzbuch IV schützt Arbeitnehmer und macht dem Arbeitgeber Druck, denn er ist verantwortlich für die Sozialabgaben."

ver.di PUBLIK | Welche Berufe trifft es?

ULRIKE FÜRNISS | Fast alle, nur unterschiedlich stark. Eine Verlagerung in die Scheinselbstständigkeit gibt es vor allem bei Berufen, die vor Jahren noch zum öffentlichen Dienst gehörten: zum Beispiel Sozialpädagog/innen in Jugendzentren oder Museen, Fachkräfte für Arbeitssicherheit.

ver.di PUBLIK | Wie sieht es in der Privatwirtschaft aus?

FÜRNISS | Dort dehnt sich Scheinselbstständigkeit ebenfalls aus. Großverlage beschäftigen für ihre Schlussredaktion Freiberufler/innen, die bisher Festangestellte waren. In der ambulanten Altenpflege ist es üblich, Honorarkräfte einzusetzen, die vom Auftraggeber abhängig sind und weder Zeit noch Möglichkeit haben, anderweitig zu arbeiten. In der Erwachsenenbildung läuft fast alles über Honorarkräfte. Hier werden zum Teil zwölf Euro Stundenhonorar gezahlt. Davon bleiben netto fünf Euro übrig. Krasse Beispiele findet man im Einzelhandel, wo Hilfskräfte, die über Nacht die Regale auffüllen, per Werkvertrag (!) beschäftigt werden.

ver.di PUBLIK | Wie kann man gegen Scheinselbstständigkeit vorgehen? Sie ist vor Gericht schwer nachzuweisen.

FÜRNISS | Wer sie nachweisen kann, kann sich auf den Arbeitsplatz einklagen. Das Risiko ist aber hoch, selbst bei Prozessgewinn, weil so zustande gekommene Arbeitsverhältnisse meist sofort "ordentlich" gekündigt werden. Die Statusklage ist sinnvoll, wenn man mit dem Auftraggeber ohnehin Schluss machen will. Gewinnt man, tun ihm die Nachzahlungen weh, man ist zudem arbeitslosenversichert. Versuchen sollte man zuerst, eine Teilzeit- oder befristete Festanstellung auszuhandeln. Die Alternative heißt, sich nicht in die Scheinselbstständigkeit zwingen zu lassen, sondern lieber richtig selbstständig zu arbeiten.

INTERVIEW: Gudrun Giese