Putze | Knochenarbeit | Es sind die einfachen Arbeitsplätze, die Florence Aubenas und Frank Hertel für ihre Bücher im Selbstversuch ausprobiert haben. Florence Aubenas zieht ins nordfranzösische Caen, um auf Jobsuche zu gehen. Als einzige Qualifikation gibt die Journalistin, die schon aus Krisengebieten wie Ruanda, Kosovo und Afghanistan berichtet hat und im Irak fünf Monate in Geiselhaft war, das Abitur an. Das Arbeitsamt schickt sie zu sinnlosen Jobmessen und Qualifizierungen. Erst nach einigen Wochen findet sie einen Job: Putzen auf einer Fähre.

Unter enormen Zeitdruck hetzt hier eine Reinigungskolonne über das Schiff, zu unmöglichen Zeiten, schlecht bezahlt, schlecht behandelt. Da dieser Job allein nicht zum Leben reicht, sucht Aubenas nach weiteren Putz-Aufträgen. Egal ob Campingplatz, Büro oder Privathaushalt, die Bedingungen bleiben gleich. Wahrgenommen wird sie höchstens von Vorgesetzten, die ihre Untergebenen schikanieren. Beim Reinigen fühlt sie sich als "Verlängerung des Staubsaugers", als sie erlebt, wie sich ein Paar dem Feierabend-Sex hingibt, obwohl Aubenas gerade das Büro sauber macht.

Zusammenhalt erlebt sie nur mit Kolleginnen. Frauen, die auch von ihren Erfahrungen erzählen, die sie mit der Gewerkschaft gemacht haben. Männlich dominiert, industriell geprägt - da war die Bereitschaft, sich für diese Frauen einzusetzen, nicht gerade stark ausgeprägt.

Anders als Günter Wallraff analysieren weder Florence Aubenas noch Frank Hertel die gesellschaftlichen Zustände, die zu solchen Arbeitsverhältnissen führen. Der Soziologe Hertel hat für ein Jahr sein Geld in einer Großbäckerei verdient. Er schildert den Arbeitsalltag, den Umgang der Kollegen aus den verschiedensten Ländern miteinander, ihre Konkurrenz - Freundschaft ist selten in diesem Arbeitsalltag. Hertel sieht daher auch keine Chance mehr für eine Revolution, die von der Arbeiterklasse ausgeht. Zu ausgelaugt sei diese nach acht Stunden Knechterei in der Fabrik, da reiche die Kraft gerade noch zum Öffnen des Feierabendbieres.

Gleichzeitig warnt er davor, dass diese Jobs verschwinden. Durch den wachsenden wirtschaftlichen Druck vertreiben Überqualifizierte wie er die Geringqualifizierten auch noch von den wenigen verbleibenden Jobs. Allerdings beantworten weder Hertel noch Aubenas die Frage, wie man auch diese Jobs beschäftigtenfreundlicher und angesehener machen kann. Dennoch lohnen beide Bücher das Lesen, geben sie doch gut geschriebene Einblicke in die Arbeitswelt, subjetiv und nicht analytisch. hla

Florence Aubenas: Putze. Mein Leben im Dreck, Übersetzt von Gaby Wurster, Pendo, München, 251 Seiten, 14,95 €, ISBN 978-3866122826

Frank Hertel: Knochenarbeit. Ein Frontbericht aus der Wohlstandsgesellschaft, Carl Hanser Verlag, München, 208 Seiten, 14,90 €, ISBN 978-3446235793


Grundrechte-Report 2010 | Auch im 41. Jahr des Grundgesetzes zeigt die Verfassungswirklichkeit etliche Kratzer, die der Grundrechte-Report 2010 auflistet. Herausgegeben wird er von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen. Die Bandbreite der Verstöße reicht von Diskriminierungen über illegale Datensammlungen, Missachtung von Schutzrechten, Überwachungen bis zu Rechtsverweigerungen.

Ein Beispiel sind Datenschutzeinschränkungen durch das SWIFT-Abkommen über den internationalen Zahlungsverkehr, das amerikanischen Behörden den Zugriff auf den privaten europäischen Zahlungsverkehr ermöglicht. Viele Beiträge offenbaren die Einstellung staatlicher Institutionen, den Bürger, der verfassungsmäßige Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit in Anspruch nimmt, als Sicherheitsrisiko zu betrachten. Der Journalist Uli Röhm attackiert die parteipolitische Machtdemonstration von Roland Koch (CDU), die zum Ausbooten des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender geführt hat. Zur Beeinträchtigung von Grundrechten zählt nicht zuletzt das Wirken von Scheingewerkschaften. Den Autor/innen geht es nicht allein um das Anprangern von Zuständen, sondern vielmehr soll der Report Bürger/innen anspornen, durch aktives politisches Engagement gegen Missstände die Grundrechte zu schützen. gl

Grundrechte-Report 2010, Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M, 280 Seiten, 9,95 €, ISBN 978-3596186785