Ausgabe 11/2010
Knietief im Dispo
Von Jenny Mansch
Wenn es um die Banken und ihre Zinsen für Dispositionskredite geht, ist es beim Volk seit der Finanzkrise vorbei mit vornehmer Zurückhaltung. "Wucher", "Raubritter", "Augenwischerei" sind nur einige der Schmähungen, die sich derzeit in Internet-Kommentaren Bahn brechen. Zum Dispo hat fast jeder eine Meinung, der ab und zu gezwungen ist, sein Girokonto zu überziehen, weil schlicht das Geld für den Monat nicht reicht. Davon sind meist die Geringverdiener betroffen. Heute steht jeder sechste Deutsche mit seinem Konto im Minus. Da kommt für die Banken was zusammen: Im Mai dieses Jahres betrug das Volumen der Überziehungskredite 41,6 Milliarden Euro, die meisten davon sind Dispokredite. Eine gewaltige Menge Geld, für das dann stattliche Zinsen fällig werden.
Kaum ein Kunde weiß auf Anhieb genau, wie viel Prozent an Zinsen er bei seiner Bank tatsächlich für die "Flexibiliät" zahlt, die ihm das Geldleihen laut Werbung der Institute einbringt. Um den genauen Prozentsatz zu erfahren, muss man nachgucken oder seinem Bank-berater auf die Nerven gehen.
Den Grund für die mangelnde Auskunftsfreude der Geldgeber hat nun die Stiftung Warentest ermittelt: Sie hat 1000 Kreditinstitute nach ihren Dispozinsen befragt. 300 haben schon mal gar nicht reagiert, und die zwei schlimmsten Sündenböcke Targobank und Santander Bank haben nach der Befragung ihren Zinssatz gesenkt. Der Rest spricht für sich: Der Durchschnittssatz der befragten Banken liegt bei 12,52 Prozent. 21 Institute verlangen gar 14 Prozent und mehr. Dem stehen aber nur ein bis zwei schlappe Prozent gegenüber, die der Kunde für seine Geldeinlage bekommt. Das ist so, seit die Europäische Zentralbank 2008 im Zuge der Finanzkrise den Leitzins von 4,25 auf ein Prozent gesenkt hatte, damit sich die Banken untereinander billig Geld leihen können.
Gute Idee zur falschen Zeit
In ländlichen Regionen, so zeigt die Untersuchung, ist es besonders schlimm. Wo wenig Konkurrenz ist und der Beratungsbedarf groß, wird kräftig hingelangt. Schlecht schnitten auch die Sparkassen, die Volks- und Raiffeisenbanken ab. Sie verlangen ohne Not 14 Prozent und mehr. Dass das nicht sein muss, beweisen die Sparkasse Schwedt (Brandenburg) mit neun Prozent und die Volksbank Euskirchen (NRW) mit 9,34 Prozent. Kund/innen einer PSD-Bank zahlen hingegen bundesweit nicht mehr als zehn Prozent.
Da kommt ausgerechnet jetzt eine gute Idee zur falschen Zeit: Seit der Bundestag im Juli die Verbraucherkreditrichtlinie der EU übernommen hat, müssen die Banken die Dispozinsen an einen Referenzwert koppeln, wie etwa den Leitzins. Also nur, wenn der Referenzzins steigt, darf auch der Dispozins angehoben werden. Es bedeutet für die Verbraucher/innen aber nichts Gutes, die Banken gerade jetzt den obszönen Abstand zwischen Dispo- und Referenzzins beibehalten zu lassen. Denn wenn der Referenzwert von derzeit einem Prozent steigt, wird auch der Dispo noch mal teurer.
Was fair wäre
Verbraucherschützer halten zur fairen Ermittlung des Dispozinses eine einfache Formel für angemessen: Basiszins (zurzeit ein Prozent) plus fünf Prozent Aufschlag. Unterstützt werden sie zurzeit von den Grünen und der Linken, die sich beide dafür stark machen, dass die Banken mit Dispozinsen nicht mehr als die rund fünf Prozent verdienen können.
Ein Gespür dafür, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht, hat auch die zufällig befragte Bankkundin. Brigitte Brüggemann aus Lohmar bei Bonn weigert sich seit Jahrzehnten standhaft, wenn es darum geht, "diesen Verbrechern mein Geld in den Rachen zu schaufeln". Lieber überweise sie Geld von ihrem Spar- aufs Girokonto, um Engpässe auszugleichen. Und wenn auch das mal nicht möglich war, "habe ich es mir lieber kurzfristig bei meiner Freundin geliehen".
Doch das gelingt nicht allen. Wenn das Geld alle ist, türmen sich auch wegen solcher Dispozinsen schon bald die Schulden. Stephanie Pallasch, Finanzexpertin der Stiftung Warentest, rät Verbrauchern deshalb, nur kleine Beträge kurzfristig in Anspruch zu nehmen. Dauert es länger mit der Rückzahlung, wandelt man besser in einen Ratenkredit um, der zu festen Beträgen zurückgezahlt wird. Und schließlich: Ärgern Sie sich nicht zweimal über dieselbe Bank. Wechseln Sie einfach.