Auf die Idee, dass Hebamme mein Beruf ist, bin ich schon mit 16 gekommen. Ich hatte gelesen, dass ein feministisches Gesundheitszentrum Ärztinnen und Hebammen suchte, und dachte: Das würde ich gern machen.

Mit 20 habe ich dann mit der Ausbildung begonnen und danach einige Jahre im Kreißsaal gearbeitet. Irgendwann hatte ich das Bedürfnis, meinen Horizont zu erweitern, und beschloss zu studieren - erst Ethnologie, dann Psychologie. Für mich war das eine wichtige Ergänzung zu den Erfahrungen, die ich in der praktischen Arbeit gesammelt habe. Während des Studiums habe ich weiter halbtags gearbeitet. Kurz vor der Diplomarbeit habe ich meine Tochter bekommen. Mein Mann und ich haben uns beide um die Erziehung gekümmert und auch beide Abstriche bei der Karriereplanung gemacht.

Der wichtigste Moment

Ich habe die Arbeit im Kreißsaal geliebt, auch wenn sie immer anstrengend war. Zu Anfang habe ich mit einer Kollegin drei oder vier Frauen pro Schicht betreut, das steigerte sich im Lauf der Zeit auf bis zu sechs. Und das ist hart: Man muss ja bei jeder Frau schauen, wie die Geburt verläuft, was gemacht werden muss und was ihr gut tut. Für sie ist das der wichtigste Moment in ihrem Leben, da muss ich als Hebamme präsent sein, Ruhe und Zuversicht vermitteln. Die Frauen brauchen jemanden, auf den sie sich verlassen können - das geht nicht nebenbei. Man verbringt also die Schicht mit einem hohen Adrenalinspiegel und fällt hinterher erst mal um. Ich war deshalb froh, als ich das Angebot bekam, als Hebammenlehrerin zu arbeiten, auch wenn mir die Geburtshilfe gefehlt hat.

Nach der Zeit als Lehrerin habe ich zwei Jahre als freiberufliche Hebamme gearbeitet. Weil ich meine Tochter betreuen musste und wollte, ging das nur halbtags. Doch damit konnte ich nicht das verdienen, was ich zum Familienunterhalt beitragen wollte. Ich fragte mich lange, ob das meine Schuld ist, doch dann sah ich: Das ist ein strukturelles Problem. Hebammenarbeit wird zu schlecht bezahlt, Betriebskosten und Sozialabgaben sind für Feiberuflerinnen sehr hoch. Die meisten können sich ihren Traumberuf nur leisten, indem sie halbtags an Kliniken arbeiten und nur nebenberuflich freie Hebammen sind. Ich bin froh, dass ich das Thema als Vorsitzende des Hebammenverbandes politisch angehen und mich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen kann. Neben dem Verband bin ich aber immer noch freie Hebamme.

Protokoll: Susanne Kailitz