"Ich finde es befremdlich, wenn Justiz und Stadtverwaltung zwar das Demonstrationsrecht von Neonazis verteidigen, dabei aber das Demonstrationsrecht von Demokraten und Christenmenschen einschränken." So kommentierte der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, SPD, am 19. Februar den Polizeieinsatz in Dresden. Die Polizei ging mit weiträumigen Absperrungen, Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Gegendemonstranten vor, die trotzdem Europas größten Aufmarsch von Neonazis in der Stadt verhindert haben. Mehr als 21000 Menschen waren dem Aufruf des Bündnisses aus Parteien, Gewerkschaften und Antifa-Gruppen gefolgt, um "Dresden nazifrei" zu halten.

Viele der gut 300 Busse mit Gegendemonstranten wurden schon weit vor der Stadt von der Polizei gestoppt. Bis zu 15 Kilometer waren es von dort noch bis in die Stadt. "Manche von ihnen waren bis zu drei Stunden zu Fuß unterwegs", sagt Jan Duschek, Jugendreferent bei ver.di. Andere, wie Steffen Friedrich, kamen mit ihrem Bus bis in die Dresdener Neustadt. Bei dem Versuch, über eine der Brücken in die Altstadt zu gelangen, wurden er und seine Mitdemonstranten von der Polizei gestoppt. Manche trugen ver.di-Windjacken, andere hatten Fahnen dabei. "verdi-Mitglieder kommen bei mir nicht durch", erklärte ihm ein Polizeikommissar. "Sie dürfen aus Sicherheitsgründen die Brücke nicht passieren." Friedrich fühlt sich in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt.

Eine Mahnwache vor dem Gewerkschaftshaus untersagte die Stadt am Abend vor dem 19. Februar mit dem Hinweis, dass "ordnungsrechtliche und polizeiliche Maßnahmen primär gegen die als Störer zu erwartenden Gegendemonstrationen und ihre Teilnehmer gerichtet werden, die öffentlich zu Massenblockaden aufrufen und erfahrungsgemäß ein höheres Gewaltpotential aufweisen". Straßenblockaden sind in Sachsen, anders als in anderen Bundesländern,strafbar. Der Staatsanwaltschaft Dresden lagen nach dem 19. Februar die Personalien von 70 Gegendemonstanten vor, gegen die nun ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet werden soll. Der DGB-Bezirk Sachsen fordert eine Debatte um ein modernes und effektives Versammlungsgesetz, das demokratisches Engagement fördert. Karin Flothmann

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