Seit ich denken kann, gehe ich mit meinen Großeltern in Lohmar zum Seniorenturnen. Gemeinsam marschieren wir den steilen Berg hinter dem Haus hinauf, machen auf halber Strecke eine kleine Pause, und werden winkend von den anderen Rentnern in Empfang genommen. Acht Frauen und zehn Männer, die meisten sind über 80, gehören zum Turnverein. Sie nennen sich Leistungstruppe für melodische Gymnastik. Begeistert schütteln mir sämtliche Mitglieder die Hand: "Ach und die kleine Enkeltochter aus Berlin ist auch wieder dabei!", "Mensch, bist du gewachsen!" Die kleine Truppe begrüßt mich wie ein Familienmitglied.

In der Damenumkleide werden erst einmal die neuesten Ereignisse, Gartentipps und die besten Rezepte ausgetauscht. Der sportliche Teil beginnt dann wie immer mit dem Einlaufen. Emsig, manchmal unter lautem Stöhnen, werden Fäuste in die Luft gestreckt, Arme gekreist, wird auf Zehenspitzen gegangen. Ich hopse neben meiner Oma her. Sie ist mit ihren heute 75 Jahren eine der Jüngeren der Gruppe und in der Lage mir zu antworten, zwar etwas kurzatmig, aber bestimmt.

Die Vorturnerin lässt uns nun auf einer der Außenlinien laufen. Zwei Rentner hinter mir fangen sofort an zu witzeln: "Wir gehen auf den Strich!" Schmunzelnd drehe ich mich um, die beiden grinsen ertappt. Erstaunlich, dass so erfahrene, alte Menschen Witze machen, wie sie sich Jungs in der Pubertät nicht verkneifen können.

Omas Schmetterbälle

Als junger Mensch kann ich mir nicht vorstellen, wie es wohl ist, alt zu sein. Es ist für mich aber ein Hoffnungsschimmer zu sehen, dass alt sein nicht gleich heißt, sich nicht mehr bewegen zu können. Oder zu vergessen, was man einkaufen wollte, und unerklärliche Macken zu entwickeln.

Nach einigen Gymnastikübungen, die der 85-jährige Willi stets nur mit Murren über sich ergehen lässt, kommt das Abschlussspiel: Prellball. Voller Elan wird das Spielfeld aufgebaut. Ich hege ja den heimlichen Verdacht, dass zumindest der männliche Teil der Gruppe hauptsächlich wegen dieser letzten 15 Minuten die Strapazen von Kniebeugen und Wadenstreckern auf sich nimmt. Lange Zeit durfte ich dieses Spiel nicht mitspielen. Gut, ich habe mich nicht getraut.

Aber man muss diese Gruppe einmal gesehen haben: Vor allem bei den Männern bahnen sich plötzlich gewaltige Kräfte ihren Weg. Lachend und schwitzend düsen die alten Leutchen dem traditionellen Lederball hinterher und schmettern, schleudern, prellen. Aber der gefürchtetste Schmetterer kommt immer noch von meiner Oma.

Nach dem glorreichen Sieg müssen natürlich alle Kraftreserven aufgefüllt werden: Der- und diejenige, die Geburtstag hatten, müssen die ganze Gruppe mit Brötchen, Sekt und Bier versorgen. Wobei die Dicke der Butter auf den belegten Brötchen von entscheidender Bedeutung ist: Ist die Butterschicht nicht mindestens daumendick, muss darauf geschlossen werden, dass es mit den Finanzen der Familie wohl bergab geht. Das ist mal wieder typisch alte Leute. Es wird angestoßen und gesungen. Gleich darauf wird die Tafel aufgefahren, und alle beißen herzhaft in ihre Salamibrötchen.

Nach einem Plausch in dieser gemütlichen Runde, verabschieden sich nach und nach die Ersten, wahrscheinlich fast zu Tode erschöpft. Manche sehe ich allerdings schon morgen wieder, wenn es darum geht, wer beim Kegeln alle Neune zu Fall bringt. Dieser Verein nennt sich übrigens Immerhin!

Feline Mansch, 14 Jahre