Rund 40 Millionen Tonnen Müll produzieren die Deutschen jährlich. Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) haben ihre Belegschaft in den letzten 20 Jahren dennoch von 10800 auf jetzt 5300 Mitarbeiter/innen reduziert. Also hat sich die Menge der Tonnen, die ein Müllmann täglich stemmen muss, verdoppelt. Jeden Tag bewegt er aus Hinterhöfen und aus Kellern das groteske Gewicht zweier ausgewachsener Elefanten.

Und die Branche altert: Bei der BSR liegt der Durchschnitt bei 48 Jahren. "Wir haben ausgerechnet, dass ohne Maßnahmen 2018 ein Drittel der Belegschaft im aktiven Dienst auf der Straße älter als 60 sein wird", sagt Sven-Olaf Günther, Gesamtpersonalratsvorsitzender bei der BSR. Das bedeute Ausfallquoten, die den Betrieb gefährden. Schon jetzt ist der Krankenstand mit mehr als 40 Tagen überdurchschnittlich hoch.

"Erfahrungsgemäß können die meisten Leute, die im Gedinge arbeiten - also als Kraftfahrer, Müllwerker oder Straßenreiniger - die Tätigkeit nicht über das 60. Lebensjahr hinaus ausüben", so Günther. Und nur selten sei ein Wechsel innerhalb des Unternehmens möglich.

Geht einer, kommt ein Neuer

Nach Auslaufen der gesetzlich geförderten Altersteilzeitregelung im Jahr 2009 wurde es umso dringlicher, die demografischen Probleme selbst in den Griff zu bekommen und eine Lösung zu finden, die älteren Kollegen den früheren Ausstieg ermöglicht. "Mitte letzten Jahres haben wir angefangen, in allen betrieblichen Gremien der BSR darüber zu diskutieren", erklärt der zuständige ver.di-Sekretär Erich Mendroch. Ab Oktober 2010 habe man verhandelt, im Dezember stand das sogenannte Betriebssicherungsprogramm. Herausgekommen ist eine Altersteilzeitregelung, die - und das ist bisher einmalig - gleichzeitig die zukünftige Leistungsfähigkeit des Unternehmens sichern soll. Für jeden Mitarbeiter, der aussteigt und in die Freiphase der Altersteilzeit geht, muss ein neuer eingestellt werden. "Früher wurden Altersteilzeitregelungen meist zum Personalabbau missbraucht. Mit diesem Tarifvertrag erreichen wir eine Verjüngung", so Mendroch zufrieden.

Die Regelung gilt für Beschäftigte, die mindestens zehn Jahre im Gedinge und bei Antragstellung noch aktiv sind. Die Altersteilzeit erstreckt sich über mindestens zwei, maximal zehn Jahre. Wenn etwa bei Kurt Schulz, der demnächst 55 Jahre alt wird, der Rücken Probleme macht, könnte er ab diesem Tag in die Altersteilzeit gehen. Dann arbeitet er noch fünf Jahre voll, die nächsten fünf Jahre kann er unter Fortzahlung der Bezüge zuhause bleiben. Wegen der Rente mit 67 muss man künftig so rechnen: Rentenalter minus zehn ergibt den frühestmöglichen Eintritt ins BSR-Altersteilzeitprogramm.

Halbe-halbe

Insgesamt kostet das zirka 170 Millionen Euro. Finanziert wird es vom Land Berlin und von den BSR-Beschäftigten: "Tarifvertraglich wurde festgeschrieben, dass der Teilzeitlohn nicht 50 Prozent beträgt, sondern auf vereinbarte 80 Prozent des letztes Nettos aufgestockt wird. Die Leute im Gedinge verzichten im Gegenzug auf einen Urlaubstag oder einen freien Tag", erklärt Mendroch. Außerdem werden bis 2016 an alle Beschäftigten 1,5 Prozent der künftigen Lohnerhöhungen nicht ausgezahlt. Diese Solidarmaßnahme sichere indirekt auch Arbeitsplätze in anderen Bereichen.

Ohne Abschläge funktioniert das Modell also nicht. "Natürlich wird ein Müllwerker die Frage, ob das Geld reicht, erstmal verneinen. Doch der Einkommensverlust ist abzuwägen gegen die Wahrscheinlichkeit, körperlich nicht bis zum Schluss durchzuhalten", so Günther. Die BSR rechne jedenfalls damit, dass rund 70 Prozent der Berechtigten das Angebot annehmen werden. ucb