von Jenny Mansch

Es ist eine praktische kleine Broschüre, die die tarifpolitische Grundsatzabteilung von ver.di herausgegeben hat. Das ist der Klarheit der Rechnung geschuldet, die hier zugunsten Beschäftigter und durchaus auch der Unternehmen aufgemacht wird. Um den Ausstieg aus dem Erwerbsleben ohne finanziellen Abstieg oder gar Altersarmut zu gestalten, zeigen drei Modelle eines Zeitwertkontos Lösungen für einen flexiblen Übergang in die Rente auf: Die Finanzierung des Ausstiegs durch ein Zeitwertkonto und die Kombination mit einer Altersteilzeit- oder einer Teilzeitregelung.

So kann's gehen

Den Beschäftigten soll es ermöglicht werden, auf dem Zeitwertkonto mittels Entgelt- und/ oder Arbeitszeitbestandteilen, Zulagen und Sonderzahlungen ein Wertguthaben anzusparen und zu verzinsen, das ihnen in einer zukünftigen "Freistellungsphase" als Entgelt ausgezahlt wird. So können sie ein paar Jahre früher aussteigen oder Teilzeit arbeiten und trotzdem finanziell abgesichert sein. Ab einem angekündigten Zeitpunkt sammelt der oder die Beschäftigte Zeit an, die auf dem Konto gutgeschrieben wird. Dafür nimmt er Abschläge beim aktuellen Einkommen in Kauf, zahlt aber auch entsprechend weniger Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge. Der Arbeitgeber hat damit ein Steuerungsinstrument für seine langfristige Personalplanung in der Hand. Ein Vorteil für ihn, weshalb er sich mit einem jährlichen Betrag, in unserer Beispielrechnung sind das 300 Euro, beteiligen muss. Je nachdem, mit welchem Entgelt der Beschäftigte aussteigen will, kann er sich mit ver.dis Zeitflex-Rechner ausrechnen, zu welchem Zeitpunkt er sich den Ausstieg leisten kann. So kann er sich in der Freistellungsphase redlich von der Geldsumme nähren, auf die er vorher eine Zeitlang verzichtet hat und die vom Arbeitgeber fair unterfüttert wurde. In vielen Branchen dämmert es den Beschäftigten längst, dass sie bei vorzeitigem Renteneintritt in die Altersarmut zu kippen drohen, nachdem sie jahrelang im Krankenhaus, als Altenpflegerin oder im Wachdienst gearbeitet haben. Das ist körperlich harte Arbeit, die macht man nicht bis Ultimo.

In der Vergangenheit haben die Unternehmen das "Altenproblem" durch die durchaus komfortable Altersteilzeit gelöst oder mit Ausgründungen der Jobs in garstige Subunternehmen ohne Tarifbindung. Hauptsache, die Alten waren weg. Zwei Faktoren haben nun dazu beigetragen, die Phantasie der ver.di-Arbeitszeitpolitiker in Richtung Zeitwertkonto zu beflügeln. Das neue Flexi-Gesetz II, das die Zeitwertkonten im Insolvenzfall vor dem Zugriff der Arbeitgeber schützt, und das Ende der Subventionierung der Altersteilzeit.

Die ist zwar nach wie vor möglich, wird aber ohne Geld vom Staat zusehends unattraktiv für die Arbeitgeber. "Im Grunde wollen die das weghaben", folgert Petra Ganser, Tarifpoltikerin in ver.di. Als zu wenig nachhaltig haben sich nämlich bereits existierende Langzeit- oder Gleitzeitkonten in den Unternehmen erwiesen. Schnell wurden die in der Vergangenheit vom Arbeitgeber abgegriffen, etwa in Krisenzeiten. "Das macht auch Sinn", ergänzt Petra Ganser, "weil es dazu beigetragen hat, Beschäftigung zu sichern. Statt zu entlassen, hat man die Langzeitkonten abgebaut. Die waren dann aber weg." Das kann mit dem Zeitwertkonto nicht passieren.

Überzeugungsarbeit muss noch bei den Arbeitgebern geleistet werden, die dem Zeitwertkonto gar nicht mal ablehnend begegnen. "Die Frage ist aber", so Jörg Wiedemuth von ver.di, "wie weit wären sie bereit, sich daran zu beteiligen? Es gibt zwei Knackpunkte: Sind sie bereit, in der Freistellungsphase den Beschäftgiten zusätzlich Urlaub zu gewähren und auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld? Sie bleiben schließlich Beschäftigte. Noch dazu läuft ein Großteil des Konto-Inputs ja darauf hinaus, dass die Mitarbeiter auf einen Teil ihres aktuellen Einkommens verzichten, und dass ein anderer Teil von Arbeitszeit nicht bezahlt wird, sondern später vom Konto abgerufen wird. Es kommt darauf an, inwieweit die Unternehmen das Thema Demografie für sich entdeckt haben." Da hapert es noch.

Nur Mut, Männer

Das Zeitwertkonto eignet sich darüber hinaus als ein Instrument zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vor allem den Männern will man die Idee schmackhaft machen, sagt Petra Ganser. "Wir wollen nicht nur den Übergang in die Rente anders organisieren, sondern auch die Möglichkeit schaffen, während der Erwerbstätigkeit für eine begrenzte Zeit aussteigen zu können. Ob zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder für ein Sabbatical, zur gesundheitlichen Wiederherstellung oder für eine Qualifikation". Daher gibt es einen Extra-Flyer Mutige Männer braucht das Land, damit auch sie die Chance haben, die Vorzüge für sich zu entdecken.

http://arbeitszeit.verdi.de/biographieorientierte_arbeitszeit

Den Zeitflex-Rechner gibt es auf CD, er kann bestellt werden per E-Mail bei:

traudel.hentschel@verdi.de

Ausstieg durch Zeitwertkonto finanzieren

Ziel: So früh wie möglich ohne größere Einkommensverluste aussteigen

Beispiel: Ansparbeginn mit dem 50. Geburtstag ab dem 1.1.2012, 3 100 € Bruttoentgelt, 37-Stunden-Woche, 13. Monatsgehalt

Ansparleistung:

  • einmalig 300 € Startfinanzierung Arbeitgeber,
  • jährlich 1 000 € aus Sonderzahlung
  • jährlich 300 € Arbeitgeberleistung
  • jährlich 12 mal 10 % vom Bruttoentgelt (310 €)
  • jährlich 50 Überstunden à 21 Euro Stundenlohn

Zwei Jahre und 11 Monate vor Rentenbeginn erfolgt die Freistellungsphase.

Für die Zeit der Freistellung stehen 90 % des zuletzt erreichten Bruttoentgelts von ca. 2 790 Euro zur Verfügung.

Folgende Annahmen liegen dem Beispiel zugrunde:

  • jährliche Lohnsteigerung 2%
  • Kapitalverzinsung 4%
  • vertragsübliche Kosten der Kontoführung