Ausgabe 05/2011
Keine Entwarnung in Sachsen
Der Verfassungsgerichtshof in Leipzig hat im April das 2010 verabschiedete Sächsische Versammlungsgesetz aus formalen Gründen für nichtig erklärt. Eine inhaltlich begründete Klage von Landtagsabgeordneten aus Linkspartei, SPD und Grünen war somit nur auf den ersten Blick erfolgreich. In Sachsen gilt nun vorläufig wieder das alte Bundesgesetz.
Nachdem die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 auf die Länder übergegangen war, hatte zunächst die bayerische CSU-Landesregierung ein verschärftes Gesetz auf den Weg gebracht, das nach einer erfolgreichen Verfassungsklage in Teilen gekippt wurde. Das Bayerische Versammlungsgesetz enthielt zahlreiche Verschärfungen gegenüber dem Bundesgesetz. In Sachsen wurde dagegen nur eine Vorschrift nicht aus dem Bundesgesetz übernommen: Paragraph 15, die zentrale Norm für behördliche Verbotsverfügungen und Auflagen, wurde in Sachsen durch eine Regelung ersetzt, die dazu dienen sollte, sowohl rechtsextreme Aufmärsche als auch Gegendemonstrationen in Dresden zeitnah zum 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Jahr 1945, zu verhindern.
Das Sächsische Versammlungsgesetz erlaubte es der Versammlungsbehörde, eine Versammlung zu verbieten, wenn sie an einem "Ort von historisch herausragender Bedeutung" stattfinde, der an Menschen erinnere, "die unter der nationalsozialistischen oder der kommunistischen Gewaltherrschaft Opfer menschenunwürdiger Behandlung waren". Die konkrete Bestimmung dieser Orte blieb der Versammlungsbehörde überlassen.
Kritik am Gummiparagraphen
Neben der inhaltlichen Kritik an diesem Gummiparagraphen führten die Kläger formelle Fehler beim Zustandekommen des Gesetzes an: Der Entwurf, der den Abgeordneten vorgelegt wurde, enthielt nicht den vollständigen Gesetzestext. Dies war für den Verfassungsgerichtshof entscheidend: Korrekt wäre es gewesen, den Wortlaut des Bundesgesetzes wiederzugeben, das mit Ausnahme des Paragraphen 15 übernommen werden sollte. Stattdessen wurde nur auf den Wortlaut des Bundesgesetzes verwiesen. Das Vorhaben der schwarz-gelben Landesregierung ist mit dem Urteil nicht vom Tisch. Landesjustizminister Jürgen Martens, FDP, hat bereits ein neues Gesetzgebungsverfahren angekündigt. Claudia Wangerin