Die Beschäftigten einer geschlossenen Krankenkasse haben keinen Anspruch auf Kündigungsschutz oder einen Sozialplan. ver.di fordert politische Veränderungen

Ausgelächelt. Die City BKK schließt zum 30. Juni

"City BKK wird zum 1. 7. 2011 geschlossen", stand Ende Juni auf der Homepage der Krankenkasse. Es ist die erste Krankenkasse in Deutschland, die wegen des Gesundheitsfonds geschlossen wird. Rund 180.000 Versicherte müssen sich eine neue Krankenkasse suchen, knapp 430 Beschäftigte, überwiegend an Standorten in Berlin, Hamburg und in der Zentrale in Stuttgart, stehen vor der Arbeitslosigkeit. Sie können nicht auf Kündigungsfristen oder einen Sozialplan hoffen, das ist im Sozialgesetzbuch (SGB) V im Falle einer Kassenschließung nicht vorgesehen. Selbst für langjährige Beschäftigte ist der Tag, an dem die Kasse schließt, der letzte Arbeitstag.

Das sei verfassungswidrig, sagt Jochen Berking vom ver.di-Bundesfachbereich Sozialversicherung. Als die damalige schwarz-rote Bundesregierung 2007 die Paragrafen formuliert hat, habe ver.di vor den Folgen gewarnt. Vergebens. "Das Verfahren ist so gewollt und damals so angelegt worden", erinnert sich Berking. Jetzt fordert ver.di erneut, das SGB zu überarbeiten, damit tariflicher und gesetzlicher Kündigungsschutz greifen kann und Sozialpläne aufgestellt werden können. "Die Schließung ist auch eine unmittelbare Folge des Gesundheitsfonds mit seinen Zusatzbeiträgen sowie der unzureichenden Ausgestaltung des Risikostrukturausgleichs zwischen den Kassen", sagt Berking. Hier sei die Bundesregierung gefordert, damit nicht noch weitere Kassen Probleme bekommen.

Die Beschäftigten der City BKK versuchen, ihren Kündigungsschutz einzuklagen. Seit die City BKK im Frühjahr 2010 ihre drohende Insolvenz beim Bundesversicherungsamt (BVA) angezeigt hat, wurde immer wieder über die Schließung geredet. Als Grund nennt Horst Kasten, beim ver.di-Bezirk Berlin für die City BKK zuständig, die Versichertenstruktur. Dort waren überwiegend ältere Menschen versichert, die in großen Städten mit teurer medizinischer Versorgung leben.

Dass die City BKK ohne neues Geld und die Fusion mit einer mitgliederstarken sowie einer finanzstarken BKK nicht überlebensfähig war, sei für ver.di schon lange erkennbar gewesen. Kasten vermutet, dass eine Fusion politisch innerhalb der BKK-Gemeinschaft nicht gewollt gewesen sei. "Die Angst war groß, dass dort eine zu mächtige BKK entsteht", sagt der Gewerkschafter. Mit Haushaltstricks wurde die City BKK noch ein Jahr über Wasser gehalten. Der Zusatzbeitrag von zuletzt 15 Euro im Monat habe aber viele Versicherte, insbesondere jüngere und gesunde, zu anderen Krankenkassen getrieben. Der BKK-Haftungsverbund muss jetzt für die Schließungskosten seines pleitegegangenen Mitglieds einstehen. Offiziell ist von rund 150 Millionen Euro die Rede. Horst Kasten geht davon aus, dass die Summe schnell doppelt so hoch werden könnte.

Stichworte zum neuen Job

Langjährig Beschäftigten muss die BKK-Gemeinschaft neue Stellen anbieten. Die Betroffenen erhalten ein Schreiben mit wenigen Stichworten zur Tätigkeit. Das Gehalt ist mit einer Spanne bis zu 1500 Euro angegeben. Auf Nachfrage erfahren die Betroffenen nicht mehr, sie können nur Ja oder Nein sagen. "Für die meisten wäre die neue Stelle mit einem Ortswechsel mit mehreren hundert Kilometern und Gehaltseinbußen verbunden", sagt Kasten. Er weiß von einer Alleinerziehenden aus Berlin, die in NRW arbeiten soll. Von ihrem Teilzeitgehalt könnte sie die notwenige doppelte Haushaltsführung nicht finanzieren. Andere haben pflegebedürftige Angehörige. Einige können zu City BKK in Abwicklung wechseln. Sie startet mit 200 Beschäftigten, deren Zahl auf Null reduziert wird.

Hervorgegangen ist die City BKK Mitte der 90er Jahre aus den Krankenkassen der Länder Berlin und Hamburg. Damals wurde ein Rückkehrrecht für die Beschäftigten vereinbart. Das jedoch, so der Berliner Senat heute, habe sich durch frühere Fusionen erübrigt. Das sehe ver.di anders, sagt Kasten, die Gewerkschaft wolle klagen. In Hamburg können die Beschäftigten, die damals schon dabei waren, als Landesbeschäftigte zurückkehren - zu damaligen Bedingungen. Wer damals Teilzeit gearbeitet hat, muss das auch heute tun. Und wer mittlerweile aufgestiegen ist, muss in den alten Rang zurück.

ver.di führt jetzt auch verstärkt politische Gespräche. Außerdem appelliert Jochen Berking an andere Krankenkassen: "Sie sollten überlegen, ob sie an den Standorten nicht den gut qualifizierten Beschäftigten der City BKK, die bislang noch keine Perspektive haben, ein Angebot machen können."

Unter https://mitgliedernetz.verdi.de finden ver.di-Mitglieder, die als Versicherte von der Insolvenz betroffen sind, Tipps zum Krankenkassenwechsel.