Premiere: Aktion bei der Diakonie in Hannoversch-Münden

Das hat es in der 170-jährigen Diakoniegeschichte noch nicht gegeben: Im Rahmen einer bundesweiten Aktionswoche machten sich Beschäftigte der kirchlichen Einrichtungen auch in Niedersachsen mit einem Streik für einen Tarifvertrag, Gehaltserhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen stark. In Hannover waren es rund 400 Kolleg/innen aus der Jugendhilfe, Altenhilfe und drei Krankenhäusern, die erstmals an einem Warnstreik teilgenommen haben, in Oldenburg waren es 300.

VW und IG Metall gratulieren

Die Verhandlungen zwischen Diakonie und den Mitarbeitervertretungen waren bereits im April in der Arbeitsrechtlichen Kommission gescheitert. ver.di hat daraufhin die Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen aufgefordert, was die kirchlichen Arbeitgeber ablehnten. Dabei hatten sich in einer ver.di-Umfrage 87 Prozent der Diakonie-Beschäftigten in Niedersachsen für Tarifverträge ausgesprochen. "Die Beteiligung an den Warnstreiks ist klasse! Hut ab vor den Kollegen und Kolleginnen, die zum ersten Mal diesen Schritt gewagt und ihren Arbeitsplatz für vier Stunden Streik verlassen haben. Das macht allen Mut, die dieses Mal noch nicht dabei waren", sagt Uwe Demitz von der Streikleitung in Hannover.

Mit einer Solidaritätsadresse wurden die Beschäftigten auch von den Vertrauensleuten der IG Metall und dem Betriebsrat von VW Nutzfahrzeuge Hannover unterstützt: "Mit Interesse verfolgen wir eure Arbeitskampfmaßnahmen. Respekt und Hochachtung dafür. Als Beschäftigte von Volkswagen ist es uns nur schwer verständlich, dass ihr für Grundrechte kämpfen müsst, die uns so selbstverständlich sind", heißt es da. "Wir bei Volkswagen sind stolz darauf, zu rund 98 Prozent gewerkschaftlich organisiert zu sein und allein mit dem Druck unserer Mitglieder günstige Arbeits- und Entgeltbestimmungen durchsetzen zu können. Es ist für uns kaum nachvollziehbar, warum die kirchlichen Arbeitgeber das kollektive Selbstbestimmungsrecht ihrer Beschäftigten fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Christlich können wir dieses Verhalten nicht nennen."

Zuvor hatte es massive Einschüchterungsversuche der Arbeitgeber gegeben, die behaupteten, der Streik sei unrechtmäßig. "Das Landesarbeitsgericht Hamm hat im Januar dieses Jahres Streiks in diakonischen Einrichtungen ausdrücklich für zulässig erklärt", rückt ver.di-Fachsekretärin Annette Klausing zurecht. "Alle Maßnahmen, die zu einer Einigung führen sollten, wurden ausgeschöpft - leider erfolglos", so Klausing. Deshalb seien Streiks jetzt der einzige Weg.

Den Ärger verdient

"Die Kirchenbeamten in Niedersachsen, wie die Leitungen des Diakonischen Werkes, des Landeskirchenamtes und die Pastoren, haben längst eine Tariferhöhung erhalten, ebenso die Beamten des Landes Niedersachsen. Die Diakonie-Beschäftigten sind bisher leer ausgegangen. Wer Wasser predigt und Wein säuft, hat Ärger verdient", kritisiert ver.di-Fachbereichsleiter Joachim Lüddecke die Arbeitgeber. Dass es auch anders geht, haben die Arbeitgeber des Diakonie-Klinikums Agaplesion in Hamburg schon im Sommer bewiesen: Sie traten nach Warnstreiks dem Arbeitgeberverband vdka und damit dem Kirchlichen Tarifvertrag Diakonie bei, den ver.di mit der Nordelbischen Kirche geschlossen hat. Amen.