Irgendwann der gilt Tarif

Immer Kunden mehr lieben Bio. Und wie geht es den Beschäftigten?

Nachhaltig produzierte und fair gehandelte Produkte sind das moralische Geschäftskapital des Bio-Einzelhandels. Doch fair gehandelt bedeutet nicht, dass die Beschäftigten der Einzelhändler und der Bio-Ketten faire Arbeits- und Einkommensbedingungen haben. „Die Branche steckt in einem unerbittlichen Konkurrenzkampf“, sagt Ulrich Dalibor, Leiter der ver.di-Bundesfachgruppe Einzelhandel. „In den Bioläden findet man eine Kundengruppe, die eher klein ist und die es sich auch eher leisten kann oder will, mehr Geld auszugeben.“ Das haben auch die konventionellen Handelsketten erkannt und bieten ebenfalls Bio-Produkte an. „Der Preis-Irrsinn hinterlässt auch dort Spuren, die Luft wird immer dünner“, sagt Dalibor. „Nicht alle, die nachhaltige Produkte verkaufen, bieten auch ihren Beschäftigten paradiesische Zustände.“

Ein Gespräch mit Kunden wird nicht bezahlt

Mit einer bemerkenswerten Argumentation versuchte Thomas Greim, Gründer und Geschäftsführer der bayerischen Biohandelskette Dennree, im Interview mit der taz zu begründen, warum er seine Beschäftigten nicht nach Tarif bezahlt: „Wir haben ja auch Kunden, die Fragebedürfnisse haben oder menschliche Nähe suchen. Das kostet Zeit.“

Damit sei keine Wertschöpfung verbunden. Greim bestritt außerdem, dass Überstunden nicht bezahlt und die Ruhepausen zwischen den Tagesschichten zu kurz seien. Er gab dann auch zu, dass die Beschäftigten mit ihren Löhnen quasi die Expansion seines Unternehmens bezahlen, und prognostizierte einen Umsatz von 100 Millionen Euro für 2011, bei rund einer Million Euro Gewinn.

Die großen Bio-Supermarktketten liefern sich ein Wettrennen bei der Eröffnung neuer Märkte, es geht um Marktanteile. Erst im Oktober begann Peter-Gilbert Boullay nach Branchenberichten bei Dennree. Er war zuvor Manager bei Kaufland, einer Tochter der Schwarz-Gruppe, zu der auch Lidl gehört, und soll die Expansion von Dennree vorantreiben.

Wachsen will auch Konkurrent Alnatura. 2010 reagierte Alnatura auf kritische Medienberichte über Arbeits- und Einkommensbedingungen bei Bio-Discountern. Nach Firmen-Angaben erhalten die Beschäftigten seit Oktober 2010 mindestens Tariflohn. „Überprüfen können wir das nicht, da Alnatura keinen Tarifvertrag mit ver.di abgeschlossen hat“, sagt Janet Dumann, ver.di-Gewerkschaftssekretärin. ver.di hatte die Geschäftsleitung erfolglos dazu aufgefordert. So ist die Bezahlung nach Tarif eine freiwillige Leistung, ohne Rechtsanspruch für die Beschäftigten.

Bei der in Deutschland und Österreich aktiven Bio-Supermarktkette Basic gibt es einen Betriebsrat. Nachdem im Jahr 2009 die Schwarz-Gruppe dort einsteigen wollte und es im Betrieb massive Probleme gab, zum Beispiel mit nicht bezahlten Überstunden, konnte mit Hilfe von ver.di eine Arbeitnehmervertretung gegründet werden. Basic befand sich zumindest zeitweise in wirtschaftlicher Schieflage, Filialen wurden geschlossen. Und es gibt immer wieder Beschwerden der Betriebsräte über den Umgang mit Mitgliedern und Beschäftigten. So wurde der Betriebsrat bei Neueinstellungen nicht oder zu spät angehört.

Mal mehr, mal weniger Lohn

„In Berlin gibt es trotz aller Bemühungen von ver.di noch keine Bio-Supermarktkette, die einen Betriebsrat hat“, stellt Janet Dumann fest. Dabei gäbe es dafür auch dort viele Gründe. Zu den Unternehmen zählt die Bio Company, die vor allem in Berlin und Hamburg aktiv ist. Ihre Beschäftigten werden unter Tarif bezahlt, erhalten weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld. „Wer hier arbeitet, kann sich die Produkte im Normalfall nicht leisten“, stellt eine Angestellte fest, die ihren Namen nicht nennen will. Acht bis neun Euro pro Stunde verdienen sie in der Regel, einige auch mehr. Nach welchen Kriterien jemand mehr oder weniger bekommt, ist für die Verkäufer/innen nicht transparent. Als Alnatura die Gehälter erhöhte, kündigte auch die Bio Company an, irgendwann nach Tarif zu zahlen – allerdings ohne einen Zeitpunkt dafür zu nennen.