"So fegen Sieger aus"

Tarifrunde: Mal brennt die Luft in der Verhandlungskommission, mal wird heftig diskutiert, mal gewartet

VON Geraldine van Gogswaardt UND Claudia von Zglinicki

Am 26. April war es soweit: Die ver.di-Bundestarifkommission hat in Frankfurt am Main dem Verhandlungsergebnis für die rund zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen zugestimmt. 67 Ja-Stimmen, 17 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen gab es - nach einer intensiven Diskussion über das Für und Wider. In den Tagen zuvor hatten die ver.di-Mitglieder ihre Meinung gesagt; in der Mitgliederbefragung stimmten 74 Prozent dem Ergebnis zu. Kritik hatte es vor allem an der Tatsache gegeben, dass es nicht gelungen war, die Forderung nach einer sozialen Komponente gegen den harten Widerstand der Arbeitgeber durchzusetzen. Gerade die geforderte Mindesterhöhung von 200 Euro war für viele Beschäftigte besonders wichtig, auf sie zu verzichten war für manche nicht einfach.

Die Mitgliederbefragung ermöglicht Beteiligung

Überzeugt hat das Ergebnis mit Gehaltserhöhungen von 3,5 Prozent rückwirkend zum 1. März 2012 und jeweils weiteren 1,4 Prozent zum 1. Januar und 1. August 2013. Und mit weiteren Vorteilen: So steigen die Ausbildungsvergütungen zum 1. März 2012 um 50 und zum 1. August 2013 um weitere 40 Euro. Bei bedarfsgerechter Ausbildung erhalten die Azubis einen Rechtsanspruch auf Übernahme nach dem Abschluss, zunächst für ein Jahr. Nach diesem Jahr werden sie unbefristet übernommen - vorausgesetzt, es gab in dieser Zeit keine Abmahnung.

Klar ist: Ohne die Warnstreiks und Demonstrationen von mehr als 300 000 ver.dianer/innen wäre ein solcher Abschluss nicht möglich gewesen. Gezeigt hat sich auch wieder, dass die Mitgliederbefragung wichtig ist. Sie ermöglicht allen ver.dianer/innen, sich einzumischen und zu beteiligen. So auch den Beschäftigten bei der Berliner Stadtreinigung, die in der Gewerkschaft organisiert sind. An einem Tag Ende April war es für sie soweit - im Betriebshof der Berliner Stadtreinigung gegenüber der East Side Gallery im Berliner Bezirk Friedrichshain. In der Kantine klirrte Geschirr, klapperte Besteck. Überall im Raum, an allen Overalls, leuchtete ein kräftiges Orange - die Farbe der Stadtreinigung. Versammelt waren zu dieser Mittagspause circa 200 Männer und ein paar Frauen. Auf ihren T-Shirts und Jacken stehen die genau passenden Sprüche: "Die mit dem Laub tanzen", oder: "So fegen Sieger aus."

Für viele endete wenig später die Schicht. Bevor sie nach Hause gingen, wollten die ver.di-Mitglieder noch ihre Meinung zum Verhandlungsergebnis für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen sagen. ver.di hatte für diesen Tag auf dem Betriebshof der Straßenreinigung die Mitgliederbefragung geplant. Sven-Olaf Günther, Sprecher der ver.di-Bundesfachgruppe Abfallwirtschaft, erklärte das Ergebnis. Dann wurden die Stimmzettel ausgeteilt. Stühle wurden geschoben, es wurde gemurmelt, die Wähler/innen brachten ihre Stimmzettel zur Wahlurne. Der Raum leerte sich zügig.

Die Stimmzettel wurden gleich in der Kantine gezählt. 114 ver.dianer/innen haben an diesem Tag für das Verhandlungsergebnis gestimmt, zehn dagegen. "In allen Bereichen der Berliner Stadtreinigung, nicht nur hier auf diesem Betriebshof, hat die große Mehrheit unserer Kollegen zugestimmt", sagt Erich Mendroch, der als ver.di-Sekretär im Landesbezirk Berlin-Brandenburg für die kommunale Abfallwirtschaft zuständig ist.

Bei den Versorgern

"Natürlich profitieren auch unsere Kollegen in der kommunalen Versorgung, dem Bereich des TV-V, von dem Abschluss", sagt Andreas Scheidt aus der ver.di-Bundestarifkommission nach der Entscheidung. Er ist Vorsitzender des Bundesfachbereichsvorstands Ver- und Entsorgung. "Wir haben unsere Leute im Unternehmen, den Wuppertaler Stadtwerken, auf einer Betriebsversammlung genau informiert." Es habe Nachfragen gegeben, aber bei der Befragung der Mitglieder dann keine einzige Ablehnung. "Und es ist ja auch ein gutes Ergebnis!"