Politischer Streik im Europa der Krise | Wenn über die Möglichkeiten gewerkschaftlichen Widerstands gegen die von der Politik verursachten sozialpolitischen Verschlechterungen gestritten wird, dreht sich die Diskussion schnell um eine zentrale Frage: Brauchen wir das politische Streikrecht? Zurückgehend auf eine Rechtsprechung aus den 1950er Jahren sind in Deutschland nur Branchen- und Betriebsstreiks erlaubt, um tarifvertragliche Regelungen durchzusetzen.

Die Herausgeber des Buchs Politische Streiks im Europa der Krise wollen zu einer Enttabuisierung des politischen Streiks in Deutschland beitragen. Der Sammelband beleuchtet die Zunahme von politisch motivierten Arbeitsniederlegungen und Generalstreiks in ausgewählten europäischen Ländern. Vor dem Hintergrund der neoliberalen Kürzungspolitik sind die Herausgeber davon überzeugt, "dass politische Streiks bereits heute eine zentrale Rolle im Ringen um Demokratie und Umverteilung spielen - und perspektivisch noch mehr spielen werden". Um dies zu belegen, werden nicht nur Beispiele aus Ländern mit eher streikbereiten Beschäftigten wie Frankreich aufgeführt. So findet sich unter dem Titel "Darf man das überhaupt?" ein Interview zu politischen Streiks gegen die Rentenreform in dem Deutschland in punkto Rechtslage und Streiktradition ähnelnden Österreich. Der ehemalige IG Medien-Vorsitzende Detlef Hensche plädiert dafür, den Streik als ein Freiheitsrecht zu betrachten, dessen praktische Inanspruchnahme nicht von juristischen Restriktionen abhängig gemacht werden sollte. Romin Khan

Alexander Gallas / Jörg Nowak / Florian Wilde (Hrsg.): Politische Streiks im Europa der Krise, VSA-Verlag, Hamburg, 240 Seiten, 14,80 €, ISBN 978-3899655322.

Das Buch kann auch unter www.rosalux.de, Suchbegriff Gallas, kostenlos heruntergeladen werden.


Stoff-Wechsel | Egal ob Plastikschüsseln, Vanillegeschmack, Aspirin oder Insektenkiller: Alle diese Produkte basieren heute auf Erdöl. Doch zum einen geht der Rohstoff über kurz oder lang zur Neige, zum anderen ist die Petrochemie mit einer unüberschaubaren Vielfalt gefährlichen Mülls verbunden. Dass es auch anders geht, beschreibt der Chemiker Hermann Fischer in seinem überzeugenden und gut lesbaren Buch Stoff-Wechsel.

Seit Milliarden von Jahren synthetisieren Pflanzen aus wenigen Grundstoffen mit Hilfe von Sonnenenergie einen unüberschaubaren Reichtum von Chemikalien. Die werden nach ihrem Tod von anderen Lebewesen ab- und umgebaut; der einzige Abfallstoff dabei ist Sauerstoff. Die Anzahl dieser natürlichen Chemikalien übersteigt die künstlich produzierten Stoffe um ein Vielfaches. "Für praktisch jedes aus Erdöl hergestellte Produkt der Alltags-chemie gibt es einen Ersatz auf erneuerbarer Grundlage," schreibt Fischer. Der Mann weiß, wovon er spricht: Seit fast 40 Jahren leitet er eine Firma, die Lacke, Kleber, Farben und Reinigungsmittel entwickelt.

Eine zukunftsfähige Chemie muss ähnlich strukturiert sein wie eine nachhaltige Energieversorgung: kleinteilig, vielfältig und dezentral. Natürlich genießt die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln oberste Priorität, betont Hermann Fischer. Doch in vielen Fällen sei eine "friedliche Koexistenz" unterschiedlicher Nutzpflanzen auf dem selben Boden möglich. Außerdem wird heute aus Gewächsen oft nur ein winziger Teil verwendet. Dabei lässt sich beispielsweise aus Leinpflanzen nicht nur Öl, sondern auch hochwertiges Eiweiß und Stroh für Dämmplatten gewinnen. Annette Jensen

Hermann Fischer: Stoff-Wechsel. Auf dem Weg zu einer solaren Chemie für das 21. Jahrhundert, Kunstmann-Verlag, München, 304 Seiten, 19,95 €, ISBN 978-3888977848