Ausgabe 03/2013
ver.di macht Urlaub
Unser Anspruch auf Urlaub ist nicht selbstverständlich, sondern wurde und wird von den Gewerkschaften erstritten
Wer arbeitet, muss sich auch erholen. Sonst versiegen allmählich die Kräfte von Körper, Geist und Seele. Das wussten schon die Steinzeitmenschen. Wenn die erschöpft von den Anstrengungen der Jagd aus der Wildnis zurückkamen, haben sie sich erst einmal gründlich ausgeruht, um sich zu stärken und den Kopf wieder klar zu kriegen für die nächste Safari. In der Antike, zum Beispiel bei den Griechen und den Römern vor 2000 Jahren, ist selbst vielen Sklavenhaltern klar, dass sie ihre Zwangsarbeiter nur dann auf Dauer ausbeuten können, wenn sie ihnen hinreichend freie Tage und Ruhepausen zur Erholung gönnen.
Am Anfang waren es drei freie Tage im Jahr
Doch erst mit Ausbreitung des Christentums in Europa prägt der frühe Grundsatz einer Sechs-Tage-Arbeits-woche zunehmend das Leben der Menschen. Mit der Industrialisierung werden die Menschen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann wieder gezwungen, immer mehr und immer länger zu arbeiten: 16 Stunden am Tag, 52 Wochen im Jahr. Viele Feiertage werden abgeschafft, allmählich wird auch der Sonntag zum Arbeitstag. Erst 1895 werden 24 Stunden Sonntagsruhe erstmals gesetzlich angeordnet. Mit der bürgerlichen Revolution in Deutschland 1848 beginnen viele Arbeiter und alsbald auch Angestellte sich in Gewerkschaften zu organisieren. Von einem verbrieften Recht auf arbeitsfreie Tage wagt noch kaum jemand zu träumen. Die erste tarifvertragliche Urlaubsregelung erstreitet im Jahre 1903 in Stuttgart und in Thüringen der Zentralverband deutscher Brauereiarbeiter: Drei freie Tage im Jahr!
1912 verlangt der SPD-Abgeordnete Emanuel Wurm im Reichstag, "dass die Arbeiter Ferien bekommen, Urlaub mit voller Zahlung des Lohns". Ein völlig utopisches Verlangen vor gerade einmal 100 Jahren. Umso stärkeren Aufschwung nimmt die gewerkschaftliche Forderung, nachdem Deutschland den 1. Weltkrieg verliert und die Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit sich verschieben. 1929 gibt es schon 8000 Tarifverträge, in denen bezahlter Erholungsurlaub geregelt wird, wenn es oft auch nur wenige Tage sind.
Nach dem 2. Weltkrieg nehmen die meisten westdeutschen Länder den Anspruch auf zwei Wochen Mindesturlaub in ihre Verfassungen auf. 1951 wird in der DDR durch eine Urlaubsverordnung das in der Verfassung festgeschriebene Recht auf Urlaub umgesetzt. In den 60ern und 70ern gelingt es den bundesdeutschen Gewerkschaften in fast allen Branchen, den gesetzlichen Mindesturlaub durch tarifrechtliche Regelungen auszudehnen. Ein zusätzliches Urlaubsgeld kann erstmals die Gewerkschaft Holz und Kunststoff 1962 durchsetzen. In der Folge gelingt das den Gewerkschaften auch für viele andere Branchen. Im Jahre 2012 erhalten 59 Prozent aller Beschäftigten mit Tarifbindung zusätzliches Urlaubsgeld. 1975 hat nahezu die Hälfte der Beschäftigten Anspruch auf vier Wochen Tarifurlaub. 1977 sind es dann schon 24 Tage.
6 Wochen Tarifurlaub - ein Erfolg der Gewerkschaften
Den entscheidenden Durchbruch in Richtung sechs Wochen Tarifurlaub schaffen im Winter 1978/79 die Beschäftigten der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie. Heutzutage sind sie in fast allen tarifgebundenen Branchen und Betrieben Standard. Sechs Wochen Tarifurlaub - das ist ein unverwechselbarer Erfolg konsequenter Tarifpolitik der Gewerkschaften und ein Beweis dafür, dass Wirklichkeit werden kann, was lange als Utopie gilt.
Vom 3. bis 7. Juni gehen bundesweit alle ver.di-Gewerkschaftssekretär/-innen in die Betriebe, um die Beschäftigten daran zu erinnern, woher der Urlaub kommt.