Bereits seit dem vergangenen Jahr haben sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung und ver.di in einer Gesprächs- und Veranstaltungsreihe mit der Dienstleistungspolitik auseinandergesetzt. Mitte September legten Horst Kahrs und Martin Beckmann die Broschüre Dienstleistungspolitik in Ostdeutschland vor, die sie als Zwischenbericht verstehen. Das Interesse an Dienstleistungspolitik ist groß. Mittlerweile entfallen 70 Prozent der Arbeitsplätze in ganz Deutschland auf den Dienstleistungsbereich. Das monatliche Bruttoeinkommen lag bei 38 Prozent der dort Beschäftigten im Jahre 2009 bei weniger als 1 500 Euro.

Doch warum Ostdeutschland? Durch den wirtschaftlichen Umbruch infolge der Wiedervereinigung sehen die Autoren hier einen bereits stärker vollzogenen Wandel hin zur Dienstleistungspolitik. "Viele Fragen und Aufgaben stellen sich im Osten früher und dringlicher, gerade aufgrund der Gleichzeitigkeit von Schrumpfung und Wachstum bei überall anzutreffender Alterung der Bevölkerung", heißt es in der Broschüre. Wolle man das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, nicht aufgeben, müssten neue Ansätze entwickelt werden. Technische Lösungen allein würden nicht ausreichen.

Nichts regelt sich von allein

Hinzu kommen die Auswirkungen von Schuldenbremse und Fiskalpakt, die in den kommenden Jahren deutlich zu spüren sein werden. Von der finanziellen Ausstattung der Kommunen hängt es auch ab, wie gestaltende Dienstleistungspolitik aussehen kann. "Der Wandel der Erwerbsarbeit von der Industriearbeit hin zur Dienstleistungsarbeit muss politisch gestaltet werden", betonte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Achim Meerkamp bei der Vorstellung der Broschüre Mitte September. Gesellschaftliche Wandlungsprozesse dem Selbstlauf zu überlassen, wäre eine Ohnmachtserklärung der Politik.

Meerkamp wies in diesem Zusammenhang auch auf die Rolle des öffentlichen Dienstes in dieser Frage hin. Doch die derzeitige Beschäftigtenstruktur sei geprägt von der massiven Einsparpolitik, in deren Folge vor allem beim Personal gekürzt wurde. Dabei müsse sich der öffentliche Dienst auf seine Vorbildfunktion als Arbeitgeber zurückbesinnen, insbesondere in Ostdeutschland. Der Vorsitzende der Linksfraktion im thüringischen Landtag, Bodo Ramelow, forderte eine Diskussion über moderne öffentliche Dienstleistungen. Er sprach sich für eine Regional- und Strukturpolitik aus, die verschiedene Branchen verzahnt.

Mit ihrer Broschüre wollen Martin Beckmann und Horst Kahrs die Debatte verbreitern, in deren Mittelpunkt Dienstleistungspolitik aus der Perspektive der Bürger/innen und der Beschäftigten steht. Schließlich entscheiden beide Seiten, ob eine Dienstleistung gut ist: die, die sie erbringen, und die, denen sie angeboten wird. - Die Broschüre kann heruntergeladen werden unter www.rosalux.de/publication/39820/dienstleistungspolitik-in-ostdeutschland.html

hla