Freiwillig zu Diensten? | Ein Karnevalsverein im Rheinland organisiert einen Klempner, der in einem Hospiz kostenlos defekte Waschbecken repariert. In Schulen kümmern sich Lesepat/innen darum, dass die Kinder mehr Praxis beim Lesenlernen bekommen. Ein Wuppertaler Klinikum erwartet, dass die jungen Leute in ihrem freiwilligen sozialen Jahr Essen ausgeben, Blutdruck messen und Patient/innen transportieren. Alle diese Aufgaben werden ehrenamtlich übernommen, dafür gibt es kein oder nur wenig Geld. Allenfalls Anerkennung, denn die Ehrenamtlichen sollen ja bei Laune gehalten werden. Immerhin übernehmen sie öffentliche Aufgaben, für die früher einmal Geld vorhanden war. Die Kölner Journalistin Claudia Pinl zeichnet ihn ihrem Buch Freiwillig zu Diensten ein bedrückendes Bild dieser Gesellschaft. Sie macht deutlich, wie in den vergangenen Jahren der ehrenamtliche Einsatz immer selbstverständlicher geworden ist. In Zeiten leerer öffentlicher Kassen halten sie das Gemeinwesen am Laufen. Gleichzeitig aber sorgen sie auch dafür, dass vornehmlich soziale Arbeit entwertet wird - denn wer will schon für etwas zahlen, das man auch kostenlos haben kann. Freiwillige werden so zu Ausputzern politischer Fehlentscheidungen. Doch das darf nicht sein. Öffentliche Aufgaben in Bildung, im Sozialen und im Kommunalen müssen wieder öffentlich finanziert werden. hla

Claudia Pinl: Freiwillig zu Diensten? Über die Ausbeutung von Ehrenamt und Gratisarbeit, Nomen-Verlag, Frankfurt/Main, 134 Seiten, 14,90 €, ISBN 978-3939816188


Die Straße des Erfolgs | Neoliberale Ökonomen behaupten, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit errungene Sozialstandards unwiderruflich unter Druck setze und einen Rückzug des Staates erzwinge. Öffentliche Einsparungen, vor allem ein Abbau öffentlicher Leistungen, seien daher "alternativlos". In einem umfassenden deutsch-skandinavischen Vergleich weist Cornelia Heintze dagegen in eine ganz andere Richtung. In den skandinavischen Ländern spielt der Staat traditionell eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung. Offensichtlich ist das aber kein Nachteil. Die skandinavischen Länder schneiden in internationalen Vergleichen in wichtigen Bereichen regelmäßig deutlich besser ab - im Bildungsbereich, bei der Kinderversorgung, bei der Gesundheit. Umfassende Privatisierungen öffentlicher Leistungen, wachsende Ungleichheit, mangelnde Personalausstattung in Erziehung, Bildung und Pflege bei gleichzeitig massiver Ausweitung von Billigjobs kennzeichnen die Lage in Deutschland. Knapp 600 Euro für Personalausgaben je Einwohner hierzulande steht in Skandinavien das Fünf- bis Zehnfache gegenüber. Finanziert wird dies durch eine höhere Steuerquote. Entsprechend brandmarkt Heintze das Argument der "leeren Kassen" als "hohl und einseitig interessengeleitet". Wer Cornelia Heintzes hochinteressantes Buch gelesen hat, weiß, dass es auch ganz anders geht und das Gerede von der Alternativlosigkeit politischen Handelns dummes Zeug ist. Norbert Reuter

Cornelia Heintze: Die Straße des Erfolgs, Rahmenbedingungen, Umfang und Finanzierung kommunaler Dienste im deutsch-skandinavischen Vergleich, Metropolis Verlag, Marburg, 594 Seiten, 38 €, ISBN 978-3895189302