VER.DI PUBLIK | Immer wieder fordern Politiker/innen einen drastischen Personalabbau bei der Bundesagentur für Arbeit (BA), manche halten bis zu einem Drittel des Personals für überflüssig. Ihre Begründung: Die Arbeitslosenzahlen sinken, also brauchen die Arbeitsagenturen immer weniger Beschäftigte. Kann diese einfache Gleichung aufgehen?

EBERHARD EINSIEDLER | Nein, wer die Qualität der Arbeit verbessern will, braucht dafür auch das erforderliche Personal. Die Zahl der Beschäftigten in der BA ist nicht allein an der Zahl der Arbeitslosen festzumachen. Bei steigendem Wirtschaftswachstum kommt es auf dem Arbeitsmarkt zu höheren Bewegungszahlen und damit auch zu einer höheren Belastung als bei einem stagnierenden Arbeitsmarkt. Mit anderen Worten: Es ist nicht allein die Frage der Prozentzahl der Arbeitslosigkeit, sondern auch, in welchem Maße wir Menschen und Arbeit passgenau zusammenbringen.

VER.DI PUBLIK | Nach welchen Kriterien müsste der Personalbedarf der BA denn festgelegt werden?

EINSIEDLER | Auf den Betreuungsschlüssel kommt es an. Dieser ist so zu wählen, dass die Kolleginnen und Kollegen im Vermittlungsbereich nur eine begrenzte Anzahl von Arbeitslosen zu betreuen haben. Zur Zeit schwankt diese Zahl sehr stark, geht teilweise hoch auf eine unbeherrschbare Größe. Im Bereich von Arbeitslosengeld II, also bei den Langzeitarbeitslosen, liegt er nur bei 150. Diesen Betreuungsschlüssel müsste man auch für die Ermittlung der Zahl der Beschäftigten bei der BA zugrunde legen. Das wäre richtig.

VER.DI PUBLIK | Jetzt hat der Hauptpersonalrat es erst einmal geschafft, weiteren Stellenabbau zu schieben oder vorerst auszusetzen.

EINSIEDLER | Den ursprünglichen Abbauplan haben wir Ende August entschärfen können, indem die bereits festgelegten Vermerke für künftig wegfallende Stellen aufgeschoben werden. Bis 2018 haben wir in jedem Fall eine Entspannung und entsprechend mehr Personal zu Verfügung als bisher geplant war. Das ist sicher zum einen der Tatsache geschuldet, dass die Arbeitslosigkeit nicht in dem geplanten Maße zurückgegangen ist.

Allerdings darf der Fokus nicht nur auf die Beratung und Vermittlung gerichtet sein. Auch die Kolleginnen und Kollegen, die Lohnersatzleistungen zahlbar machen, sind an ihrer Belastungsgrenze angelangt und brauchen dringend personelle Unterstützung, weil nur so die zeitnahe Zahlung des Arbeitslosengeldes sichergestellt werden kann. Auch in den Eingangszonen und in den Servicecentern muss es zu einer spürbaren Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen kommen.

Deshalb hat der Vorstand, sicherlich auf Drängen des Hauptpersonalrats, zugestimmt, dass es zu einer personellen Unterstützung kommt. Wir schieben den geplanten Stellenabbau jetzt erst mal ins Jahr 2018. Es bleibt abzuwarten, ob aufgrund der sich verändernden Arbeitslosigkeit unter Umständen mehr Personal gebraucht wird. Durch Altersabgänge und Fluktuation haben wir dann sicherlich auch eine andere Situation als heute, sodass es dann durchaus sein kann, dass wir kein Personal mehr abbauen müssen, sondern im Gegenteil sogar weiteres Personal benötigen. Das ist aber abzuwarten. Die Entscheidung des Vorstands ist in jedem Fall eine Entschärfung.

VER.DI PUBLIK | Können die Beschäftigten jetzt erst einmal aufatmen?

EINSIEDLER | Durchatmen. Wir sind da immer sehr abhängig von politischen Entscheidungen. Die Haushälter im deutschen Bundestag, gleich welcher politischen Couleur, neigen bei Einsparungszwängen gerne zum Griff in die Sozialkassen.

VER.DI PUBLIK | Wie wirken sich die jetzt getroffenen Personalentscheidungen auf die Erwerbslosen aus?

EINSIEDLER | Positiv. In den Servicecentern kann die Erreichbarkeit erhöht werden. Für den Kunden ist es eine Serviceleistung, dass er nicht in der Warteschleife hängt, sondern sein Anliegen möglichst schnell klären kann. Zum anderen können wir in der Eingangszone zur qualitativen Verbesserung zusätzliche Fachkräfte einbringen. So können die Kunden schneller bedient werden und die Vermittlungs- und Beratungsfachkräfte werden von administrativer Arbeit entlastet. Das kommt hoffentlich einer noch besseren Qualität der Beratung zugute.

VER.DI PUBLIK | In der öffentlichen Diskussion ist in letzter Zeit viel von Leistungsanreizen über Prämien für Vermittlerinnen und Vermittler die Rede. Wie sehen diese denn aus?

EINSIEDLER | Im BA-Tarifvertrag sind grundsätzlich leistungsorientierte Bezahlungsbestandteile geregelt. In den öffentlichen Medien wurde in der letzten Zeit dazu unsachlich berichtet. Bei dem Personenkreis der obersten Führungskräfte, also bei den außertariflich Beschäftigten, geht es um maximal zirka 4 000 Euro im Jahr bei optimaler Erreichung der vereinbarten Ziele. In den vergangenen Jahren kam es übrigens zu keiner Auszahlung von Prämien.

Interview: Heike Langenberg

Arbeitsplatzabbau erst einmal ausgesetzt

Rund 110 000 Beschäftigte arbeiten zur Zeit bei der Bundesagentur für Arbeit (BA). Personell gesehen ist sie damit die größte Behörde der Bundesrepublik. Zu ihren Aufgaben gehören neben der Arbeitsvermittlung und Beratung auch Hilfen zur Wiedereingliederung. Ferner zahlt sie als Familienkasse auch Kindergeld aus.

Wegen der sinkenden Zahl der Erwerbslosen wurde 2011 vereinbart, innerhalb von vier Jahren 17 000 Stellen abzubauen. Dies sollte über auslaufende Verträge geschehen, frei werdende Stellen sollten nicht mehr besetzt werden. 10 000 Stellen wurden mittlerweile abgebaut.

Der Hauptpersonalrat hat sich Ende August mit dem BA-Vorstand darauf verständigt, dass der geplante Wegfall von mehr als 3 000 Arbeitsplätzen zunächst einmal zwei Jahre geschoben wird, der Wegfall von weiteren 1 800 Stellen ist auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

"In den Servicecentern kann die Erreichbarkeit erhöht werden. Für den Kunden ist es eine Serviceleistung, dass er nicht in der Warteschleife hängt."