Der Nikolaustag war für die Geschäftsleitung der PIN Mail AG in Berlin kein Tag der Freude, und Geschenke gab es von den Beschäftigten auch nicht - stattdessen traten sie in den Streik. "Von den Mitgliedern, die wir erreicht haben, nahmen 98 Prozent an der Urabstimmung teil. Davon sprachen sich 97,4 Prozent für einen Streik aus", sagte ver.di-Verhandlungsführer Roland Tremper. Und das, obwohl der Arbeitgeber den Beschäftigten kurz vor der Urabstimmung noch eine Streikbrecherprämie von 500 Euro angeboten hatte, falls sie nicht streiken würden.

Nach dem Streik am 6. und 7. Dezember spitzt sich der Tarifkonflikt weiter zu: Am 9. und 10. Dezember sperrt die PIN AG die am Streik Beteiligten aus. Daraufhin streiken 250 Beschäftigte seit dem Morgen des 10. Dezember wieder, unbefristet, für einen Haustarifvertrag.

ver.di fordert für die rund 700 Beschäftigten ein deutliches Lohnplus von 10,5 Prozent. Bei den niedrigen Löhnen der Zusteller, die bei 1380 bis 1430 Euro brutto liegen, plus Anwesenheitsprämie von 50 Euro für Alt- und 100 Euro für Neuverträge, ist das in Euro weniger, als die zweistellige Prozentzahl vermuten lässt. Gehaltserhöhungen hat es seit 14 Jahren - seit das Unternehmen besteht - nicht gegeben. Nur mit der Anwesenheitsprämie erreichen die Beschäftigten bei 172 Arbeitsstunden im Monat einen Stundenlohn von rund 8,50 Euro. Wer länger krank ist, bekommt die Prämie nicht, ohnehin ist sie eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers und kann jederzeit gestrichen werden.

Sechs gescheiterte Verhandlungen

Mehrere Verhandlungen blieben ergebnislos, obwohl die Beschäftigten in Warnstreiks getreten waren. Anfang Dezember scheiterte die sechste Runde, ein neuer Termin wurde nicht vereinbart.

"In der Vergangenheit hat der Arbeitgeber den Beschäftigten immer wieder versprochen, dass sie mehr Geld bekommen, wenn es der PIN AG wirtschaftlich besser geht", sagt Benita Unger, die Leiterin des ver.di-Landesfachbereichs Postdienste, Speditionen und Logistik in Berlin-Brandenburg. "Nur passiert ist nie etwas." Lediglich Einkaufsgutscheine über je 40 Euro hätten die Beschäftigten zweimal erhalten. Entsprechend schlecht sei die Stimmung im Betrieb.

Die Unzufriedenheit der Beschäftigten bestätigt auch Robert Pinkus von der ver.di-Betriebsgruppe bei der PIN AG. Von den Einkaufsgutscheinen könnten sie schließlich weder Mietsteigerungen noch höhere Lebenshaltungskosten abfangen. "Alle leiden unter steigenden Kosten. Außerdem ist die Arbeitsbelastung enorm gestiegen. Sie haben gesehen, dass sich nichts für sie verbessert", sagt Robert Pinkus. "Bei ver.di haben sie Ansprechpartner für ihre Probleme gefunden."

Die PIN AG stellt unter anderem die komplette Behördenpost in Berlin zu. Durch neue Kunden hat sich das Volumen an Post in den vergangenen Monaten für die Zusteller erhöht. Ihre Arbeitsbedingungen sind hart: Die Lastfahrräder sind mit drei Packtaschen versehen. In jeder werden bis zu 20 Kilo Sendungen transportiert, ein Fahrrad kann also mit 60 Kilo beladen werden. Und das muss es auch, denn die Zusteller können nur verteilen, was sie selbst transportieren, denn die PIN AG hat im Gegensatz zur Deutschen Post keine Nachladestationen auf den Straßen. Außerdem sind die PIN-Fahrräder unhandlich, besonders mit den schweren Taschen, und das stationäre Netz des privaten Postdienstleisters in der Hauptstadt ist nicht gut ausgebaut. Die Zusteller müssen häufig erst etliche Kilometer durch die Stadt fahren, um ihr Verteilgebiet zu erreichen.

Die PIN Mail AG gehört der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Seit 2009 besteht eine Partnerschaft mit dem ebenfalls privaten Postdienstleister TNT.

Den Postmindestlohn von 9,80 Euro erhielten die Beschäftigten lediglich in den zwei Jahren, als er für die Zusteller/innen gesetzlich festgelegt war. Doch 2010 war damit Schluss, die Konkurrenten der Deutschen Post klagten dagegen und gewannen. Prompt senkte die PIN AG den Lohn wieder. Auf Hilfe durch die Politik wollen sich die Beschäftigten nicht verlassen, obwohl die geplante große Koalition einen gesetzlichen Mindestlohn vereinbart hat.