Noch ist hier Betrieb

Über wenige Berufe kursieren so viele Klischees wie über Schwimm- oder Bademeister. Und schon die Bezeichnung ist ein Klischee; korrekt heißt der Beruf "Fachangestellte/r für Bäderbetriebe". Es ist ein Lehrberuf mit dreijähriger Ausbildung und eine komplexere Arbeit, als die Serie Baywatch vermittelt. Doch die Idee vom lauen Lenz am Beckenrand hält sich hartnäckig.

"Dabei sind die Anforderungen hoch, während zugleich das Personal ausgedünnt wird", sagt Thomas Herbing, der im ver.di-Fachbereich Gemeinden auch für die Beschäftigten in den öffentlichen Bädern zuständig ist. Es fehle oft an vernünftigen Pausenregelungen und abgestimmten Dienstplänen. Über das Problem der Arbeitszeit in Bädern haben die Teilnehmer/innen eines bundesweiten ver.di-Seminars in Berlin diskutiert. "Der Druck steigt, gerade für uns Fachkräfte", stellte Martin Reißmüller fest, der bei den Göppinger Bäderbetrieben arbeitet. Das Dilemma bestehe, und damit spricht er für viele Bäder-Beschäftigte, im kontinuierlichen Abbau des ausgebildeten Personals. "Bei uns arbeiten 450-Euro-Kräfte, Leiharbeitnehmer - und die verbleibenden Fachkräfte tragen die volle Verantwortung, müssen Mehrarbeit leisten und werden dadurch oft krank", so Martin Reißmüller.

Stress haben viele auch damit, dass sie ihre Arbeitszeit kaum planen können. Da die Leitungen der meisten kommunalen Bäderbetriebe inzwischen auch das Schlechtwetter-Risiko während der Freibadsaison auf die Beschäftigten abwälzen, gerät so manche Bäder-Fachkraft in einem regnerischen Sommer ungewollt ins Stundenminus. Auf dem Seminar wurde von einem Kollegen berichtet, der in einer schlechten Freibadsaison regelmäßig nach Hause geschickt wurde und dadurch mit weit über hundert Stunden ins Arbeitszeitminus geriet, obwohl die Höchstgrenze dafür üblicherweise bei 40 Stunden liegt. "Nötig sind Dienstpläne, die auf einer Dienstvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Personalrat basieren, mit der auch Saisonschwankungen abgefedert werden", sagt Armin Koenen, der beim Sport- und Bäderamt Bonn arbeitet und seit langem Teamer beim ver.di-Bundesfacharbeitskreis Bäder ist. Doch daran hapert es - nicht nur in privaten, sondern ebenso in den meisten öffentlichen Bäderbetrieben.

Unbefriedigend ist auch die Situation im europaweit größten Bäderbetrieb, dem in Berlin. Seit 1996 firmiert der Betrieb als Anstalt des öffentlichen Rechts unter einer einheitlichen Geschäftsführung. Bäder wurden geschlossen oder an private Pächter vergeben, die Beschäftigtenzahl von über 1000 auf rund 750 gedrückt. Doch bisher ist kein Konzept so recht aufgegangen. Der Zuschussbedarf ist aus Sicht des Berliner Senats zu hoch, die Besucherzahlen sind hingegen eher rückläufig. Zurzeit sind Preiserhöhungen angekündigt, über die viele regelmäßige Schwimmer/innen empört sind. Rentner/innen, die sich das Schwimmen bald nicht mehr leisten können, haben schon lautstark dagegen protestiert. Und wie es angesichts steigender Eintrittspreise künftig um die Schwimmfähigkeit des Nachwuchses bestellt sein wird, will man sich lieber gar nicht ausmalen.

So wird Sport zum Luxus

Verantwortlich für die Berliner Bäderbetriebe ist seit Mai dieses Jahres als neuer Geschäftsführer Ole Bested Hensing, der zuvor die privaten "Tropical Islands" in Brandenburg geleitet hat. Bisher ist jedoch auch unter seiner Ägide für die Beschäftigten keine Dienstvereinbarung zur Arbeitszeit zustande gekommen, wie der Personalratsvorsitzende Marko Ponndorf feststellt. "Zumindest heißt es aus der neuen Geschäftsleitung, dass ein einheitlicher Tarifvertrag angestrebt wird." Bisher ist das Tarifgefüge bei den Berliner Bäderbetrieben ein Flickenteppich, der Unterschiede für Beschäftigte aus Ost und West, nach Arbeiter- und Angestellten-Tarifen macht. "Wir streben den TVÖD für alle an", sagt Marko Ponndorf, "und eine Dienstvereinbarung zur Arbeitszeit". Das vorhandene Personal müsse berlinweit in mehr als 50 Bädern eingesetzt werden können. Derzeit gebe es Bäder mit relativ guter und andere mit katastrophal schlechter Personalausstattung, das müsse sich ändern.

Generell werden aber technische Fachkräfte und Kassenpersonal überall, nicht nur in Berlin, nach und nach abgebaut. "Beschäftigte, die aus Altersgründen ausscheiden, werden meist nicht ersetzt", sagt Marko Ponndorf. So sollen die Kosten gesenkt werden. Dass aber kommunale Bäder mit einer immer knapper werdenden Ausstattung ihrem Auftrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge noch nachkommen können, ist unwahrscheinlich. Schwimmen wird, so scheint es, immer mehr zum Luxus.