Ganz in Grün: Mit ihren Aktionen haben sich die PIN-Zustellerinnen und -Zusteller in Berlin durchgesetzt

Was für eine Überraschung: Am 18. Dezember lag plötzlich ein Tarifabschluss vor. Tatsächlich, die PIN Mail AG hatte sich mit ver.di geeinigt - was kurz davor noch völlig unwahrscheinlich schien.

Seit einem halben Jahr hatten die 750 Zusteller/innen des privaten Postdienstleisters in Berlin zuvor um einen Tarifvertrag gekämpft; sechs Verhandlungsrunden hatten kein Ergebnis gebracht. Erst der zwölftägige Erzwingungsstreik führte zum Erfolg. Es ist bundesweit der erste Tarifabschluss bei einem privaten Postdienstleister.

Der Versuch mit der Aussperrung

Der Arbeitgeber hatte auf den Arbeitskampf zunächst mit allen Mitteln reagiert: Wer den Streik abbrach, erhielt eine Prämie in Höhe von 550 Euro. Nachdem dieses Lockangebot aber doch nicht den gewünschten Erfolg erzielte, sperrte er die Streikenden sogar aus. Aussperrung - selbst Kunden rieben sich die Augen: Gibt's das noch?

Umso erstaunlicher war dann das gute Ergebnis: Abgeschlossen wurden ein Mantel- und ein Entgelttarifvertrag für rund 1000 Beschäftigte. Seit dem 1. Januar sind die Bruttolöhne in den unteren und mittleren Entgeltgruppen der Zustellung und Produktion in zwei Schritten um 9,3 Prozent gestiegen. ver.di hatte 10,5 Prozent gefordert. Damit sind die Gehälter ab Januar 2014 um 100 Euro höher als bisher, ab 1. Januar nächsten Jahres kommen noch einmal 20 Euro dazu. Alle bisher gezahlten Prämien werden zu festen Bestandteilen des Gehalts und sind nicht mehr nur eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers.

Mit dem Januargehalt 2014 erhalten die Beschäftigten außerdem eine Einmalzahlung von 550 Euro. Davon ausgenommen sind all die Beschäftigten, die den Streik für eine Prämie in derselben Höhe abgebrochen hatten. "Es war uns ganz wichtig, dass die Beschäftigten, die gestreikt haben, nicht benachteiligt werden, und dass sie ebenfalls diese 550 Euro bekommen", sagt ver.di-Verhandlungsführer Roland Tremper.

Dass der Tarifabschluss unmittelbar bevorstand, war 24 Stunden vorher noch nicht absehbar. Zu der Zeit rief der Vorstandsvorsitzende der PIN Mail AG, Axel Stirl, vor der Konzernzentrale den Streikenden zu: "Ihr könnt streiken, so lange ihr wollt, einen Tarifvertrag wird es mit mir nicht geben!" Doch offenbar war der Druck durch die Streikenden dann doch zu hoch. Besonders bitter für die Geschäftsleitung: Briefsendungen, die durch den Streik nicht zugestellt werden konnten, wurden dann durch die Konkurrenz verteilt, die Deutsche Post.

Peinlich für die Politik

Für den Berliner Senat waren der Streik und die Situation vor dem Arbeitskampf eine peinliche Angelegenheit, stellt doch die PIN Mail AG die gesamte Behördenpost in der Hauptstadt zu. Die Beschäftigten der PIN verdienten vor dem Tarifabschluss als Einstiegslohn gerade mal 1380,28 Euro, hinzu kam eine Anwesenheitsprämie von 100 Euro. Dabei konnte die Prämie jederzeit widerrufen werden, sie war eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Mit ihrem Grundeinkommen kamen die Beschäftigten so auf einen Stundenlohn von 7,94 Euro, viele von ihnen mussten ergänzend Sozialleistungen beantragen. Das Berliner Vergabegesetz sieht jedoch einen Mindestlohn von 8,50 Euro vor. ver.di hatte den Senat mehrfach darauf hingewiesen, ohne Ergebnis. Erst durch den Arbeitskampf konnte auch die Politik nicht mehr die Augen davor verschließen; der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß mahnte: "Die PIN Mail AG trägt die gesamte Berliner Behördenpost aus. Umso dringlicher ist es für die Berliner SPD, dass es hier zu einer angemessenen und gütlichen Einigung zwischen den Streikbeteiligten kommt."

Ob die plötzliche Kehrtwende beim Vorstand auch durch Druck der Politik auf das Unternehmen zustande kam - das kann nur vermutet werden. Axel Stirl verblüffte jedenfalls bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit ver.di, als er erklärte: "Ich zolle den Beschäftigten hohen Respekt, wie sie bei dieser Auseinandersetzung bis zum Ende vorgegangen sind."

An der Abstimmung über das Tarifergebnis beteiligten sich fast alle ver.di-Mitglieder (98 Prozent) bei der PIN AG, 96 Prozent stimmten dem Vertrag zu. "Für uns ist wichtig, dass es einen Tarifvertrag gibt", sagt Robert Pinkus von der ver.di-Betriebsgruppe. "Jetzt weiß endlich jeder, was er am Ende des Monats raushat."

Mein Arbeitsplatz Seite 6