Geschäftsführer David Schröder zeigt sich erschüttert über die Undercover-Reportage, die dem Modeversender Zalando (mit dem Werbeslogan "Schrei vor Glück!") Mitte April im Internet eine Woge der Kritik beschert hat. Der sogenannte Shitstorm bei Facebook, Twitter und Co. setzte ein, noch ehe der Enthüllungsbericht über skandalöse Arbeitsbedingungen im Erfurter Versandzentrum beim Sender RTL zu Ende ausgestrahlt war. Schließlich wurde das tariflose Unternehmen im Netz in "Sklavando" umgetauft. So etwas schockt jeden Manager und schreit nach Krisen-PR.

Anfang Mai veröffentlichte die Geschäftsführung dann auch ihre erste Mitarbeiterzeitung. Schröder bewertet darin die Darstellung der freien Journalistin Caro Lobig als "negativ und einseitig". Lobig hatte drei Monate lang für Zalando in Erfurt gearbeitet und auch mit versteckter Kamera recherchiert. Gleichzeitig kündigte er Veränderungen an, unter anderm soll es Sitzmöglichkeiten in der Versandhalle geben. Die Denunziantenprämie von 500 Euro wird gestrichen. Sie sollte angeblich Diebstählen vorbeugen. Auch dem Vorwurf, Zalando kontrolliere die Beschäftigten auf Schritt und Tritt, will man begegnen. Alle betrieblichen Prozesse würden bis zum Sommer datenschutzrechtlich überprüft, heißt es dazu. Alles andere als zufällig scheint auch der Zeitpunkt für mehr Geld zu sein: Der Grundlohn wird ab 1. Juni um 25 Cent auf 9,04 Euro pro Stunde angehoben.

Anzeige gegen die Journalistin

Das Management gibt sich im Augenblick recht zahm, doch gegen Caro Lobig, die im Rechtsstreit mit Zalando auch von ver.di unterstützt wird, wurde Strafanzeige gestellt. Wegen des "Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen". Ihr Mentor, der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff, bezeichnete die Anzeige in einem Interview als absurd. Er hatte vor mehr als 30 Jahren unter falscher Identität bei Bild recherchiert. Das Bundesverfassungsgericht, so Wallraff, habe es anhand seines Falls für rechtens erklärt, gravierende Missstände auf diese Weise öffentlich zu machen.

Und bei Zalando lässt sich ja einiges aufdecken. "Der irre Leistungsdruck und willkürliche Kontrollen sind nur ein paar Dinge, gegen die ein Betriebsrat sofort vorgehen könnte", sagt Stefan Najda. Er ist bei ver.di für den Online- und Versandhandel zuständig. Das Ziel für die Boombranche: mehr gute Interessenvertretungen, mehr Tarifbindung. "Wir sind an allen Zalando-Standorten mit Beschäftigten in Kontakt, am 6. Juni wird für das Zwischenlager in Marquardt bei Potsdam der erste Betriebsrat gewählt." Um Mitglieder und für Betriebsräte wird überall geworben. Als nächstes könnte Brieselang bei Berlin dran sein.Andreas Hamann