2012 arbeiteten noch 1200 Menschen in dem Betrieb, darunter mehrere hundert Leiharbeitnehmer. Am letzten Tag stand fest: Viele hatten das Unternehmen bereits verlassen. 120 aus der verbliebenen Stammbelegschaft hatten eine neue Stelle gefunden, 430 wechseln für zwölf Monate in die Transfergesellschaft und erhalten dort rund 90 Prozent vom letzten Tariflohn. Es werden Abfindungen von im Schnitt mehr als 1,3, mindestens aber 1,25 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr gezahlt. Für die Leiharbeitnehmer konnten ver.di und Betriebsrat keine Abfindungen durchsetzen, aber doch eine Transfergesellschaft für sechs Monate. Nur noch rund 40 Beschäftigte arbeiteten am letzten Tag im Betrieb. Die Produktion war bereits am Vortag eingestellt worden. Damit endet nach fast 90 Jahren auch ein Stück Stadtgeschichte. Erst stand "Gruner und Sohn" auf dem Firmenschild, dann "Gruner Druck", zum Schluss "Prinovis". Für die Region ist die Schließung ein Desaster. Einer der wenigen stabilen Großbetriebe verlässt den Ort.

ein beklemmender Abschied

Am letzten Tag zeigte die Belegschaft auf einem Transparent, wer für sie die Schuld trägt: "Das Grauen hat ein Gesicht" - mit Fotos der obersten Chefs von Prinovis und Bertelsmann. Prinovis ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Bertelsmann (74,9 Prozent) und Axel Springer. Vor dem Werkstor hatte ver.di zu einer Abschiedsveranstaltung geladen. Helmut Böttger, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, verabschiedete sich von den meisten Kollegen. Es war sein letzter Tag als Stellvertreter, seit dem 1. Mai ist er Betriebsratsvorsitzender des "Rückbauteams" mit 72 Beschäftigten. Das Team bereitet die Maschinen für die Verschrottung vor. Bis März kommenden Jahres wird diese Arbeit dauern. Danach hofft Böttger auf einen neuen Arbeitsplatz. Wenn er nichts findet, wird er für zwölf Monate in die Transfergesellschaft wechseln. Der gelernte Betriebsschlosser ist 55. Zuletzt arbeitete er als Universalkraft Druck. 38 Jahre war er im Betrieb.

"Die Situation ist beklemmend", sagte Michael Krause am letzten Tag. "Wir mussten feststellen, dass man nur den Profit, nicht die einzelnen Menschen gesehen hat." In der Tiefdruckerei hat der Informationstechniker 25 Jahre gearbeitet. Mit seinem Beruf hat er auf dem Arbeitsmarkt zwar bessere Chancen als die Drucker, doch die Firmen wollen Fachkräfte mit speziellen Qualifikationen. Ein Fernstudium zum Wirtschaftsinformatiker hat der 53-jährige Michael Krause bereits begonnen. Positiv in die Zukunft blicken - das schaffen fast nur Jüngere wie Nicole Behrens. Sie fuhr im Werk Gabelstapler. Die 28-Jährige schult um; sie wird Erzieherin. Ihre 26 Jahre alte Kollegin Sabina Duitsmann beginnt an einem neuen Arbeitsplatz als Produktionshelferin.

Torben Mey sprach beim Abschied noch einmal als Betriebsratsvorsitzender. Er betonte, dass sie einen für die Branche einmaligen Sozialplan erstritten hätten, Er sagte auch: "Was ich als Betriebsratsmitglied an gesetzlich legitimierten Schweinereien in Sachen Leiharbeit und Werkvertrag miterleben musste, geht wirklich auf keine Kuhhaut."

Dem ver.di-Landesfachbereichsleiter Martin Dieckmann war die Wut über die Schließung anzumerken. Er sprach von der Vernichtung von Werten, der Verschrottung von Maschinen, der Zerstörung eines Werks. Es sei eine Schande. Dagegen stünde der Stolz der Menschen, die gekämpft haben, obwohl sie bereits verloren hatten. Es sei der moralische Bankrott eines Wirtschaftens, das es erlaubt, dass ein Konzern wie Bertelsmann jahrelang zukunftssichernde Investitionen abgewürgt hat. "Es bleibt menschliche Würde gegen politisch-moralischen Bankrott. Nehmt das überallhin mit zu anderen - die Kollegialität, den Zusammenhalt in der Not."

Silke Leuckfeld