Die Beschäftigten der Firma Prosegur in Potsdam streiken für einen Haustarifvertrag, für höhere Löhne und eine bessere Absicherung der Opfer von Überfällen. Ihr alter Vertrag ist 14 Jahre alt

Das bisschen Regen stört nicht weiter: Streikende von Prosegur Potsdam am 1. Juni

Die Passanten müssen sich wie Statisten beim Dreh für einen Actionfilm gefühlt haben: Als ein Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens Prosegur Ende September vorigen Jahres die Tageseinnahmen des Apple-Stores am Kurfürstendamm zu einem Geldtransporter bringen wollte, wurde er von drei Männern bedroht, von denen mindestens einer eine Schusswaffe trug. Sie fackelten nicht lange, stießen ihn in den Geldtransporter, raubten ihm den Geldbehälter und seine Waffe, flohen quer über die Fahrbahn und rasten mit einem bereitstehenden Fahrzeug davon.

Auch wenn dieser Überfall besonders spektakulär war, ein Einzelfall ist er nicht. Im vergangenen Jahr gab es bundesweit mehrere Überfälle auf Beschäftigte des Unternehmens. Deshalb fordert ver.di im Tarifkonflikt mit dem Geld- und Werttransportunternehmen Prosegur in der Niederlassung Potsdam unter anderem auch eine bessere Absicherung für Beschäftigte, die nach Überfällen Schäden davontragen. "Die Beschäftigten und ihre Angehörigen müssen für damit verbundene psychische und physische Verletzungen oder sogar Todesfälle besser abgesichert werden", sagt ver.di-Verhandlungsführer André Pollmann.

Überstundenzuschlag halbiert

Doch das ist nicht die einzige ver.di-Forderung, denn der Haustarifvertrag bei Prosegur Potsdam ist volle 14 Jahre alt. 2004 wurde sogar noch der Überstundenzuschlag für die Potsdamer Beschäftigten halbiert. Er liegt seitdem unter der Hälfte der üblichen Zuschläge im Prosegur-Unternehmen. Damals befand es sich in finanzieller Schieflage, die Belegschaft beteiligte sich an der inzwischen erfolgten Sanierung und verzichtete - allerdings bis heute.

Die Beschäftigten von Prosegur Potsdam haben seit dem 28. April gestreikt, tageweise waren sie sogar vom Arbeitgeber ausgesperrt. Die Geschäftsleitung hat einen Standortzuschlag angeboten, mit dem ver.di prinzipiell einverstanden war, allerdings nicht in der angebotenen Höhe. ver.di "kann sich einen Euro mehr Lohn pro Stunde vorstellen", so Pollmann, der Arbeitgeber bietet 65 Cent. Und verlangt, dass der Krankenstand auf vier Prozent sinkt, sonst soll die Erhöhung nicht gezahlt werden. Die ver.di-Forderungen nach Urlaubsgeld, Gesundheits- und Jubiläumszulage lehnt er ab. Lediglich auf eine Waffenzulage von 30 Cent pro Stunde - anstelle der von ver.di gewünschten Höhe von einem Euro - und den vollen Mehrarbeitszuschlag ist die Geschäftsleitung eingegangen. Dann wurde der Streik bis zum 12. Juni ausgesetzt, um "zu einer konstruktiven Verhandlungssituation zurückzukehren", wie ver.di am 2. Juni erklärte. Ab 5. Juni sollten Bankkunden auch nicht mehr vor leeren Geldautomaten stehen.

Ein Job wie im Paradies von Onkel Dagobert?

Die Prosegur-Beschäftigten in Potsdam fallen unter das "Tarifgebiet Ost" und erhalten einen Stundenlohn von 10,92 Euro. In Hamburg zahlt das Unternehmen pro Stunde 13,66, in Niedersachsen 14,41 und in Nordrhein-Westfalen 15,29 Euro. Die Differenz zwischen Nordrhein-Westfalen und Potsdam beträgt also rund 50 Prozent. Dabei erhalten nur diejenigen Potsdamer Beschäftigten von Prosegur, die direkt die Geld- und Werttransporte übernehmen, den Stundenlohn von 10,92 Euro. Noch weniger verdienen die Beschäftigten - vor allem Frauen -, die abgeschottet und ohne Tageslicht in einem Sicherheitsbereich arbeiten. Sie zählen das Geld, das aus Geschäften abgeholt wurde und bestücken Geldkassetten, mit denen Geldautomaten gefüllt werden. Was klingt, wie das Paradies von Onkel Dagobert, ist aber harte Arbeit. Besonders das Hartgeld ist schwer, mit dem die Frauen die Zählautomaten füllen. Dafür erhalten sie lediglich 9,41 Euro in der Stunde, für Arbeit im Dreischichtsystem.

Im Zweischichtsystem sind die Beschäftigten im Außendienst unterwegs. Zweier-Teams fahren zu den Geschäften und holen die Tageseinnahmen ab. Auch sie müssen körperlich hart arbeiten, beim Hartgeld kommen schnell 30 bis 40 Kilo Gewicht zusammen. "Die Kollegen wissen abends, was sie getan haben. Viele haben Rückenprobleme", sagt Steffen Maskow, der selbst im Außendienst ist. In Dreier-Teams arbeiten all jene Prosegur-Beschäftigten, die die Kassetten der Geldautomaten auswechseln. Und wenn es Probleme mit einem Automaten gibt, übernehmen Prosegur-Leute bei zahlreichen Banken in Berlin und Brandenburg auch den Störungsdienst. Wie es für sie weitergeht, war bei Redaktionsschluss noch offen.