Ausgabe 05/2015
Mehr Geld im Handel
Kurz vor Beginn der Sommerpause gelang ver.di im Einzelhandel der erste Tarifabschluss: Wie schon zuvor im Groß- und Außenhandel konnte der baden-württembergische Landesfachbereich am 9. Juli die Tarifrunde zu einem guten Ende bringen. Für die rund 490 .000 Beschäftigen im Einzelhandel in Baden-Württemberg wird es in zwei Stufen mehr Geld geben.
"Es war in diesem Jahr besonders hart, da die Arbeitgeberseite uns einen Zukunftsbeitrag aufzwingen wollte", sagt Bernhard Franke, ver.di-Verhandlungsführer in Baden-Württemberg. "Der sollte sich allerdings nicht als Plus in den Entgelttabellen auswirken." Am Ende der vierten Verhandlungsrunde war das Hindernis ausgeräumt und ein Entgelttarifvertrag zustande gekommen, der ab 1. Juli 2,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt vorsieht, ab 1. April 2016 weitere 2 Prozent, beide Male tabellenwirksam. Das heißt, die neuen Entgelte gelten auch bei Neueinstellungen. Auch für die Auszubildenden gibt es ab 1. August 2,5 Prozent mehr und ein Jahr später wiederum 2 Prozent plus.
Die ver.di-Forderung, die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge wieder einzuführen, konnte nicht durchgesetzt werden. "Sehr bedauerlich", sagt Bernhard Franke, "aber hier haben wir bei den Arbeitgebern auf Granit gebissen". Bis zum Jahr 2000 galten die Tarifverträge im Einzelhandel für alle Betriebe und alle Beschäftigten. Seit der Aufkündigung dieser Regelung dauert die Tarifflucht in der Branche an - mit verheerenden Folgen für das Entgeltniveau (s. Artikel über Real auf Seite 5). In weiteren Landesbezirken wurde nach dem Abschluss in Baden-Württemberg noch verhandelt (nach Redaktionsschluss).
In Nordrhein-Westfalen fand Ende Juni ein regionaler Streiktag mit Auftakt vor dem Amazon-Lager in Werne statt. Insgesamt, so sagte NRW-Landesfachbereichsleiterin Silke Zimmer, hätten die Beschäftigten acht Wochen lang mit Streiks und Aktionen in mehr als 190 Betrieben deutlich gemacht, dass sie die starre Haltung der Arbeitgeber ablehnen.
Streiks und Proteste landauf, landab
Viele Beschäftigte haben sich landauf, landab an Streiks und Protestaktionen beteiligt. Zu den Höhepunkten gehörte die große Protestkundgebung Anfang Juli vor der Kaufland-Zentrale in Neckarsulm mit 1500 Teilnehmer/innen aus acht Bundesländern. Bei strahlender Sonne zogen die Demonstrant/innen vor den Sitz des Schwarz-Imperiums, zu dem auch Lidl gehört, und forderten das Unternehmen auf, seinen Einfluss im Arbeitgeberverband geltend zu machen, um die Tarifverhandlungen voranzubringen.
Im Groß- und Außenhandel geht die Tarifrunde mit vergleichbaren Abschlüssen in den Landesbezirken ihrem Ende entgegen. Baden-Württemberg hatte am 23. Juni als erster Landesbezirk den neuen Tarifvertrag ausgehandelt. Danach bekommen die Beschäftigten der Branche in diesem Jahr 2,7 und 2016 weitere 2 Prozent mehr Lohn. Außerdem folgt 2016 eine Pauschalzahlung von 90 Euro. Die Ausbildungsvergütungen steigen in diesem Jahr um 30, im kommenden um weitere 20 Euro monatlich, wobei einige Landesbezirke etwas andere Beträge vereinbart haben. Alles in allem, sagt Franke, passe der Abschluss "in die Tariflandschaft dieses Jahres". Er liege sogar im oberen Bereich. Die Arbeitgeber seien von der Streikbereitschaft der Beschäftigten beeindruckt gewesen und hätten sich letztlich kräftig bewegt. So ließen sie ihren Vorstoß zur Ausweitung der Arbeitszeit fallen.
Gudrun Giese