Ausgabe 06/2015
Biker gegen Madsack
Unüberhörbar: Biker machen sich stark für die Arbeitsplätze bei Madsack
Von Hendrik de Boer
„45 neue Arbeitsplätze - fantastisch für unsere Stadt", frohlockt Ralf Sassmann, Bürgermeister im niedersächsischen Rodenberg vor den Toren Hannovers. Die örtliche Lohndruckerei Oppermann hat soeben einen Großauftrag vom Medienkonzern Madsack erhalten. Ab Januar 2017 sollen dessen Hannoversche Allgemeine, zwei weitere Tageszeitungen und etwa zehn Madsack-Anzeigenblätter mit einer wöchentlichen Gesamtauflage von mehr als 2,3 Millionen Exemplaren in Rodenberg gedruckt werden. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, sind Investitionen für ein neues Druckzentrum in Höhe von bis zu 30 Millionen Euro nötig. Abzuwarten bleibt, ob der Mittelständler die Summe allein aufbringt. Jedenfalls hat sich Madsack die Option auf den Kauf von Oppermann-Anteilen gesichert. Im Gegenzug will der Konzern in seine bisherige Druckerei am Stammsitz in Hannover-Kirchrode mit 180 Arbeitsplätzen nicht mehr investieren. Die soll dicht gemacht, die Mitarbeiter/innen sollen vor die Tür gesetzt werden.
Neue Arbeitsplätze - ohne Tarifbindung
"Die Vergabe des Druckauftrags an Oppermann trägt spürbar zur Kostensenkung ... bei, da bei Oppermann das Druckvolumen mit rund 130 Mitarbeitern weniger bearbeitet werden kann", lautet die kühle Kalkulation der SPD-Beteiligungsgesellschaft ddvg. Mit 23,1 Prozent ist sie größter Anteilseigner bei Madsack. In einem internen Papier gibt die ddvg zu: "Aus sozialdemokratischer Sicht ist es eine bittere Pille, dass bei Oppermann ... keine Tariflöhne gezahlt werden." Das Familienunternehmen ist 2014, rechtzeitig vor dem Vertragsabschluss mit Madsack, aus der Tarifbindung gegangen. Dennoch begrüßt der zuständige SPD-Landrat Jörg Farr "die Stärkung des Traditionsunternehmens Oppermann und die Schaffung neuer Arbeitsplätze". Auf der von verdi-Aktivisten eingerichteten Facebook-Seite "Madsack Madsack", die bereits über 1.500 Fans hat, folgt prompt ein Kommentar: "180 tarifliche Arbeitsplätze vernichten, dafür 45 tariflose Arbeitsplätze geschaffen, super Rechnung." Hannover und der Region gingen Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben verloren, heißt es weiter. Und das Schaumburger Land "bekäme nix, weil Op- permann erstmal keine Gewerbesteuer bezahlt und die Mitarbeiter zu Niedriglöhnen arbeiten. Klasse, Herr Landrat!"
Auch in Hannover geraten SPD, ddvg und Madsack zunehmend unter Druck. Die zu 90 Prozent bei ver.di organisierte Belegschaft macht mit kreativen Aktionen gegen die angekündigte Massenentlassung mobil. Das reicht von Infoständen bei öffentlichen Madsack-Veranstaltungen über Tretboot-Demos auf dem Maschsee bis zum Motorradkorso. Zudem sucht der Betriebsrat das Gespräch mit der Politik.
Solidarität von vielen Seiten
Der Versuch der Verlagsleitung, Einladungen zur Betriebsversammlung an Politiker zu unterbinden, hat Empörung erzeugt. Solidaritätserklärungen gibt es von CDU, Grünen, Linken und SPD. "Die breite politische Unterstützung ist wichtig für unsere Auseinandersetzung mit dem Verlag", sagt der Madsack-Betriebsratsvorsitzende Rainer Butenschön. "Wir wollen die Arbeitsplätze erhalten. Wenn der Konzern dazu nicht bereit ist, brauchen wir mindestens einen fairen Sozialplan und eine gut ausgestattete Transfergesellschaft."
Bisher will die Konzernspitze um Madsack-Chef Thomas Düffert mit einer radikalen Spar-Strategie bis 2018 jährlich 44 Millionen Euro einsparen. Wichtiger Baustein ist die Schließung ganzer Abteilungen mit Massenentlassungen. So wurde 2014 nicht nur die Druckerei im niedersächsischen Peine mit 35 Arbeitsplätzen dicht gemacht. Nach einem 17-monatigen Arbeitskampf für einen Haustarif und für die erste Lohnerhöhung nach 13 Jahren schloss der Konzern sein Kunden-Service-Center in Hannover. Alle 87 Beschäftigten wurden entlassen und die Aufgaben in den noch billigeren Osten der Republik verlagert. "Das ist die zynische Machtdemonstration eines Konzerns, der seine Gewinnmargen durch Tarifflucht und Niedriglöhne sichern will", sagt der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.