Ausgabe 07/2015
Abschluss oder Streik
Von Gudrun Giese
Seit Ende März verhandelt ver.di mit der Lufthansa über Entgelterhöhungen und die Übernahme der Auszubildenden - und ab November zusätzlich auch über die Regelungen für die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten. Ende Oktober schien es möglich zu sein, dass einen Monat später, Ende November, eine Tarifvereinbarung zustande kommt, das wäre dann in der neunten Verhandlungsrunde in diesem Jahr.
"Die Arbeitgeber haben sich unseren Forderungen genähert, und das Verhandlungsklima ist in Ordnung", sagt Christine Behle, ver.di-Bundesvorstandsmitglied und zuständig für den Fachbereich Verkehr. "Doch wenn es Ende November nicht zu einem Abschluss kommen sollte, dann müssen wir zu Streiks aufrufen."
Die Interessen von 33.000 Beschäftigten
Verhandelt wird über einen neuen Vergütungstarifvertrag für rund 33.000 Lufthansa-Beschäftigte am Boden, bei der Lufthansa-Servicegroup, der Cargo und der Lufthansa-Technik, sowie für die Angehörigen des Kabinenpersonals, die bei ver.di organisiert sind. Die Entgelte sollen angemessen steigen. Das sei "nicht zu viel verlangt angesichts der guten wirtschaftlichen Ergebnisse der Lufthansa", so Christine Behle. Die unbefristete Übernahme der Auszubildenden müsse auch im Interesse des Arbeitgebers liegen, denn der demografische Wandel, sprich das steigende Durchschnittsalter der Belegschaften, erfordere die Übernahme der Nachwuchskräfte.
Perspektiven an den Drehkreuzen
Doch neben dem Entgelt und den Azubis ging es in der sechsten Verhandlungsrunde Anfang Oktober um die Perspektiven des Unternehmens an den Drehkreuzen in Frankfurt am Main und München. ver.di schloss mit der Lufthansa eine Prozessvereinbarung über das im Februar von der Lufthansa-Passage, also von allen Bereichen, die mit den Passagieren zu tun haben, initiierte "Bündnis für Wachstum und Beschäftigung".
Das Interesse des Arbeitgebers galt zunächst der Kostensenkung durch "wettbewerbsfähigere Strukturen". Doch die jetzt zustande gekommene Prozessvereinbarung nimmt die Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf. Christine Behle sagt: "Klar ist, dass sich die Arbeitsanforderungen immer schneller ändern, dass Digitalisierung und demografischer Wandel erhebliche Folgen für die Beschäftigung haben. Über diese Themen wollen wir uns mit dem Arbeitgeber verständigen."
Bis Ende März kommenden Jahres werden jetzt Themen und Fakten gesammelt. Fest steht bereits, dass die Lufthansa über künftige Jobprofile, die Vergütungsstruktur und die Produktivität des Unternehmens sprechen möchte. ver.di bringt die Beschäftigungssicherung, die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als wichtige Themen ein. "Wir wollen bis zum Sommer ein tarifliches Eckpunktepapier erarbeiten", so Christine Behle. Die anschließenden Tarifverhandlungen - etwa über eine neue Vergütungsstruktur - werden wohl mindestens zwei Jahre dauern.
Die neue "IG Luftverkehr"
Unterdessen hat sich im Umfeld der berufsständischen Organisationen der Unabhängigen Flugbegleiter-Organisation (UFO), der Technikgewerkschaft im Luftverkehr (TGL) sowie der Agil (Arbeitnehmergewerkschaft im Luftverkehr) Ende September eine weitere Organisation auf den Weg gemacht, die Belegschaft zu spalten und gegen ver.di und die gewerkschaftlichen Betriebsräte zu arbeiten. Die selbsternannte "Industriegewerkschaft Luftverkehr" (IGL) versteht sich als Interessenvertretung der Arbeitnehmer des Luftverkehrs in Deutschland.
"Aus unserer Sicht ist diese Organisation ein großes Ärgernis", sagt Christine Behle. "Wir haben gute Tarife und gute Bedingungen für die Beschäftigten ausgehandelt und tun das weiter." Doch von der Seite der sogenannten Berufsgewerkschaften komme nur Kritik, "aber nichts Konstruktives".
Die Organisation UFO habe bei Tarifverhandlungen für die Beschäftigten in der Kabine bereits bewiesen, dass sie keine besseren Abschlüsse hinbekommt als ver.di. Die nachwirkenden ver.di-Tarifverträge für das fliegende Personal seien deutlich besser. "Jetzt haben unsere ver.di-Mitglieder die Befürchtung, dass die UFO auch die betriebliche Altersversorgung verschlechtert und die Veschlechterung dann wegen des neuen Tarifeinheitsgesetzes auf sie Anwendung findet."