Die HUK-Coburg gibt sich nach außen gern das Image eines arbeitnehmer- und gewerkschaftsfreundlichen Arbeitgebers. Innerhalb der Unternehmen und Niederlassungen des Konzerns leiden jedoch viele Beschäftigte unter extremem Arbeitsdruck und strenger Kontrolle. Aktuelles Problem: Um Kosten zu senken, macht die Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse (HUK) Jagd auf Kranke.

Statt sich um die Veränderung der krankmachenden Arbeitsbedingungen zu kümmern, filterten zum Beispiel in der Hamburger Konzernniederlassung Führungskräfte unter den rund 200 Beschäftigten sieben Kolleg/innen mit längeren oder häufigeren krankheitsbedingten Fehlzeiten heraus. Die erschienen - weil ohne Unterhaltspflichten - für eine personenbedingte Entlassung wohl besonders geeignet. Im April 2017 erhielten die langjährig Beschäftigten die Kündigung, obwohl der Betriebsrat widersprochen hatte.

Unkündbare entlassen

Bei einigen von ihnen scherte sich die Geschäftsleitung auch nicht um den geltenden Manteltarifvertrag, nach dem "Angestellten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und dem Unternehmen mindestens zehn Jahre angehören, sowie Angestellten, die dem Unternehmen 25 Jahre angehören, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden" kann, also nur dann, wenn es einen Grund zur fristlosen Entlassung gäbe.

Und weil der ganze Betrieb mitkriegen sollte, woher der Wind weht, verbreitete der Arbeitgeber die Nachricht von den Entlassungen durch Rundschreiben. Anschließend wurden weitere mindestens 20 Beschäftigte zu "Personalgesprächen" vorgeladen. Ihnen wurde bei dieser Gelegenheit eröffnet, auch sie müssten mit ihrer Kündigung rechnen, wenn sie ihre Fehlzeiten nicht reduzierten.

Mit alledem habe die Geschäftsleitung der HUK-Coburg in Hamburg "ein unerträgliches Klima der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes geschaffen", stellte der ver.di-Landesfachgruppenvorstand Versicherungen in einem Protestschreiben an den HUK-Coburg-Personalvorstand fest. Dabei seien es doch "zum großen Teil die Arbeitsbedingungen selbst und der ungeheure Arbeitsdruck, die zu den Krankheiten führen - besonders zu physischen und psychischen Überlastungen", so die Analyse der Gewerkschaftsvertreter.

Verschleppte Infektion

Nachdem zunächst alle sieben Entlassenen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben hatten, unterschrieben zwei von ihnen schließlich einen Aufhebungsvertrag und verließen das Unternehmen, weil es ihnen in die persönliche Lebensplanung passte. Und dann passierte das, was die Beschäftigten der HUK-Coburg am meisten schockiert hat: Im Alter von 49 Jahren starb drei Monate nach ihrer Entlassung eine Kollegin, die der HUK-Coburg 34 Jahre - seit ihrer Ausbildung - hoch engagiert gedient hatte, an einer verschleppten Lungenentzündung. Sie habe sich nicht einmal in der Kündigungsfrist mehr getraut, zum Arzt zu gehen, weil sie glaubte, dass sich das ungünstig auf ihren Prozess auswirken könne, berichten ihre Kolleginnen und Kollegen.

So hatte dann das Hamburger Arbeitsgericht noch über vier Kündigungsschutzklagen zu entscheiden, und es machte dem Konzern mit Sitz im fränkischen Coburg unter den Aktenzeichen 12 CA 142 / 17, 9 Ca 190 / 17, 15 Ca 223 / 17 und 15 Ca 224 / 17 erst einmal einen Strich durch die Rechnung: Drei unterschiedliche Kammern des Gerichts gaben allen vier Klagen statt und verurteilten das Unternehmen dazu, die Kläger/innen jeweils zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Zur Begründung führten die Richter/innen in allen Fällen an, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, weil ein "Betriebliches Eingliederungsmanagement" (BEM) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) jeweils nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei. Damit fehle es auch an der für eine Entlassung wegen längerer oder häufiger Fehlzeiten erforderlichen "negativen Gesundheitsprognose".

Doch auch nach den Entscheidungen des Hamburger Arbeitsgerichts erhält der HUK-Coburg-Konzern den Druck auf seine bundesweit 10.000 Beschäftigten in der Zentrale und den 38 Niederlassungen aufrecht und legt Berufung zum Landesarbeitsgericht ein. Die erste Verhandlung dort ist für den 8. März 2018 angesetzt.

Angriff auf Betriebsrat

Die Hamburger Ereignisse sind aber nur die Fortsetzung einer Reihe von Aktivitäten, mit denen das Management bereits in den zurückliegenden Jahren für eine stetige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und des Betriebsklimas bei der Konzernmutter HUK-Coburg und ihren Tochterfirmen gesorgt hat.

Bereits 2016 waren in verschiedenen HUK-Niederlassungen Beschäftigte mit krankheitsbedingten Fehlzeiten zu sogenannten "Zukunftsgesprächen" einbestellt worden. ver.di bewertet das als "Jagd auf Kranke". Damit müsse Schluss sein, so ein ver.di-Sprecher.

Seit geraumer Zeit arbeitet die HUK mit unterschiedlichen Controlling-Systemen, die in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten eingreifen. Aber Mitte 2017 kippte - nach fünfjähriger Auseinandersetzung - das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf Betreiben des Gesamtbetriebsrats eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Thema "Belastungsstatistik", die durch einen Spruch der Einigungsstelle zustande gekommen war. Der war laut BAG deswegen unwirksam, weil er das durch die Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes geschützte Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer missachtete.

Im Jahr 2015 scheiterte der Konzern auch mit dem Versuch, den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden der Hamburger Niederlassung auf der Grundlage haltloser Vorwürfe aus dem Betrieb zu drängen. Auch diesen Fall trieb die HUK-Coburg bis zum Landesarbeitsgericht, das den Angriff auf die betriebliche Interessenvertretung allerdings mit einer klaren Entscheidung stoppte.


Der ver.di Rechtsschutz

Wichtig in allen Streitfällen und Konflikten mit dem Arbeitgeber oder mit Trägern der Sozialversicherung: Wer Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, erhält kostenfreie Rechtsberatung und wird gegebenenfalls kostenfrei vor Gericht vertreten. ver.di unterstützt auch die betrieblichen Interessenvertretungen mit Rechtsrat und Schulungen.

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