Ausgabe 03/2019
Womit nicht zu rechnen war
Die Beschäftigten bangten um ihre Arbeitsplätze. Jetzt ist klar, die Fusion brächte auch keinen Mehrwert
Im März und April haben die Vorstände von Deutscher Bank und Commerzbank über eine mögliche Fusion beider Geldhäuser beraten. Doch kaum jemand – weder Beschäftigte, noch Manager oder Wissenschaftler – haben etwas davon gehalten. Finanzwissenschaftler attestierten dem Projekt fehlenden ökonomischen Sinn. Die Beschäftigten und ihre Betriebsräte warnten vor einer weiteren Welle des Personalabbaus. Und Analysten sprachen von bis zu 30.000 zu streichenden Stellen. Jetzt sind die Gespräche zwischen Deutscher Bank und der Commerzbank abgesagt worden und die Sorgen der Beschäftigten kleiner.
Claudia Fieber weiß, wie die Integration einer kleineren in eine Großbank gelingt: über einen langen Zeitraum in einem geordneten Prozess nämlich. Die Betriebsratsvorsitzende bei der Deutschen Bank Berlin kommt ursprünglich von der Berliner Bank, begann dort Anfang der 80-er Jahre ihre Ausbildung zur Bankkauffrau und stieg früh in die Betriebsratsarbeit ein. „2006 erwarb die Deutsche Bank die Marke Berliner Bank von der Landesbank, nachdem zuvor das Experiment mit der Berliner Bankgesellschaft an Missmanagement gescheitert war“, erzählt Claudia Fieber. War die Berliner Bank anfangs in der damals noch kerngesunden Deutschen Bank eine eigene Tochtergesellschaft, wurde sie 2010 wieder zur Marke, die 2016 gänzlich verschwand.
„Im Zeitraum von 2006 bis 2016 wurde die Belegschaft der Berliner Bank von rund 1.200 auf 650 verringert. Dabei gab es sehr gute Regelungen über Abfindungen und Vorruhestand“, sagt Fieber. Bis heute arbeiten in den Berliner Niederlassungen der Deutschen Bank noch rund 500 Beschäftigte, die aus der Berliner Bank stammen. Fest steht, so Claudia Fieber: „Wir haben eine eigene Betriebskultur eingebracht, zu der auch die Gewerkschaftsanbindung und die Unterstützung von Betriebsräten gehört.“
Die Integration der Berliner Bank war aus Sicht der Deutschen Bank langwierig und kostspielig, lohnte sich aber durchaus. Zudem steht derzeit die Aufnahme einer weitaus größeren, weil bundesweit agierenden Bank bevor: Nachdem nämlich der gewünschte Verkauf der Postbank nicht zustande gekommen ist, muss die Deutsche Bank nun erst einmal diese Tochtergesellschaft mit komplett anderer Geschichte und Betriebskultur integrieren. In dieser schwierigen Situation sei es grundverkehrt, bereits die nächste Fusion anzugehen, sagt Claudia Fieber. Die ver.di-Betriebsräte nahmen die Idee deshalb als große Bedrohung wahr und wollten die Fusion unbedingt verhindern – zumal es erhebliche Überschneidungen im Firmen- und Privatkundengeschäft von Deutscher Bank und Commerzbank gibt.
Bei der Commerzbank sahen das Beschäftigte und Betriebsräte genauso. „Der Stellenabbau wäre enorm bei einer Fusion“, sagt die Berliner Betriebsratsvorsitzende Ina Reschke. Auch in ihrem Geldinstitut liegen die Erfahrungen mit der Integration einer anderen einstmals großen Bank noch nicht weit zurück: Die Dresdener Bank wurde in einem mehrjährigen Prozess in die Commerzbank integriert, wobei es aber für ausscheidende Kolleg*innen gute Abfindungen und Vorruhestandsregelungen gab.
Ina Reschke und ihre vorwiegend in ver.di organisierten Kolleg*innen im Gesamtbetriebsrat kritisierten, dass in den seit März laufenden Sondierungsgesprächen die Bedenken der Arbeitnehmervertretung in Bezug auf den katastrophalen Stellenabbau anscheinend keine Rolle spielten. „Wir lassen nicht zu, dass über unsere Köpfe hinweg entschieden wird!“, kündigte Reschke an.
Auch bei der Auftaktkundgebung zur anstehenden Tarifrunde im Bankgewerbe auf dem Berliner Breitscheidplatz zeigten die Kolleg*innen deutlich, dass sie eine Fusion ganz sicher nicht sang- und klanglos hinnehmen werden. Bei der Deutschen Bank haben die Betriebsräte unterdessen vor Ostern eine Beschäftigten- befragung gestartet – ebenfalls mit eindeutigem Ergebnis (siehe Kasten).
Auch in anderen Regionen zeigten Beschäftigte bei Kundgebungen, was sie von den Fusionsplänen hielten: „Wir sehen schwarz“, stand auf einem Plakat, das Commerzbank-Beschäftigte in Dortmund Anfang April bei einem ver.di-Warnstreik präsentierten. Über dem Satz die Logos beider Banken und ein Hochspannungspfeil als deutliche Botschaft.
Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske begrüßte die nun erfolgte Absage der Fusion. Die Nachteile hätten vor allem in Bezug auf die Arbeitsplätze deutlich überwogen. „Ein solcher Schritt hätte zehntausende von Arbeitsplätzen gefährdet. Die Ergebnisse der Gespräche bestätigten zugleich unsere Einschätzung, dass ein solcher Schritt keinen ausreichenden Mehrwert bringen würde“, so Bsirske.
Beschäftigte stimmten gegen die Fusion
Vom 8. bis zum 11. April wurden auch die Deutsche Bank-Beschäftigten zu den Sondierungsgesprächen mit der Commerzbank befragt; daran beteiligten sich 7.840 Mitarbeiter*innen.
Danach lehnten zwei Drittel eine Fusion mit der Commerzbank ab. Rund 84 Prozent meinten, dass die Deutsche Bank zunächst die Integration der Postbank abschließen sollte. Etwa ebenso viele Befragte glaubten, dass auch ohne eine Fusion viele Arbeitsplätze verloren gehen werden.
Die Frage, ob die Deutsche Bank genug tue, um die Belegschaft und damit das Unternehmen zukunftsfähig zu machen beantworteten rund 58 Prozent mit Nein.
Als unverzichtbar sahen 88 Prozent der Befragten Sozialplanregelungen an, gefolgt vom Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen (73 Prozent), falls die Fusion kommt. Die ist ja nun vorerst in dieser Form vom Tisch. gg