Ausgabe 01/2020
Tariflösung eingetütet
Der Einzelhandel ist weiter stark im Umbruch. So sind Karstadt und Kaufhof im Januar abschließend zum einheitlichen Galeria-Konzern verschmolzen worden. Eine neue Warenhauskette ist entstanden, die größte Europas. Über die Erfolgsaussichten sagt dieser Superlativ allerdings wenig aus, denn zuletzt schrieben die ehemaligen Platzhirsche der deutschen Innenstädte rote Zahlen und mussten als Sanierungsfälle eingestuft werden.
Umso bemerkenswerter ist deshalb eine Tariflösung, die ver.di in fast letzter Minute mit der Geschäftsführung vereinbaren konnte. Ohne sie wären die Gehälter der Kaufhof-Beschäftigten empfindlich gekürzt worden, weil nach der Verschmelzung automatisch die abgesenkten Entgelte des bisherigen Karstadt-Sanierungstarifvertrages gegolten hätten. Das konnte zum Glück abgewendet werden.
Nach mehrtägigen, komplizierten Verhandlungen gelang kurz vor Weihnachten eine Einigung mit vielen Facetten. "Wir haben heute einen für die Zukunft von über 25.000 Beschäftigten wichtigen Tarifvertrag abgeschlossen", kommentierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger das Ergebnis.
Für alle Warenhäuser wurde ein neuer fünfjähriger Sanierungs- und Zukunftstarifvertrag vereinbart, wie es ihn bisher nur bei Karstadt gab. Mit seiner Hilfe war dort Ende 2016 erstmalig die schon 2013 aufgegebene Tarifbindung wiederhergestellt worden. Für Karstadt Sports und den Unternehmensbereich Karstadt Feinkost unterzeichneten die Tarifparteien Eckpunktepapiere. Darin macht die Arbeitgeberseite verbindliche Zusagen für Detailverhandlungen, die in diesem Jahr abgeschlossen werden sollen. Sie laufen auf sehr ähnliche Tarifregelungen wie im Warenhausbereich hinaus.
Schutz für die Beschäftigten
Ganz obenan steht für alle eine umfassende Standort- und Beschäftigungssicherung in den nächsten fünf Jahren sowie eine vollständige Rückkehr in die Flächentarifverträge des Einzelhandels ab Januar 2025. Angesichts der Warenhauskrise und der rückläufigen Tarifbindung in der Branche – zuletzt hatte Galeria Kaufhof im Frühjahr 2019 nach der Übernahme durch die Karstadt-Eignerin Signa Tarifflucht begangen – sind dies überaus positive Signale.
Ab 1. Januar 2020 liegen die Entgelte aller Beschäftigten von Kaufhof und Karstadt Warenhaus bei 97 Prozent des Niveaus der Flächentarifverträge. Bei Kaufhof hat es also keine Gehaltskürzungen gegeben, während der bisherige Abstand der Karstadt-Beschäftigten zur "Fläche" um beachtliche elf Prozent verringert worden ist. Vergleichbare Anhebungen gab es auch bei Karstadt Sports und Karstadt Feinkost.
Die von der Warenhaus-Geschäftsführung über lange Zeit geforderten Eingriffe in die Monatsgehälter konnten somit abgewehrt werden, allerdings gehört zu dem vereinbarten Tarifpaket der vor-übergehende Verzicht der Beschäftigten auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den Jahren 2020 bis 2024 – ein für viele sehr schmerzhafter Sanierungsbeitrag.
Der neue Zukunftstarifvertrag schreibt für den Konzern, der seit wenigen Monaten komplett der Signa-Holding des österreichischen Immobilieninvestors Rene Benko gehört, gleichzeitig Schritte zurück auf das Tarifniveau des Einzelhandels vor. Während der Laufzeit werden bei Galeria Karstadt Kaufhof die Erhöhungen aus den Flächentarifverträgen eins zu eins an die Beschäftigten weitergegeben. Und es gilt die gleiche Friedenspflicht wie im übrigen Einzel- und Versandhandel.
Anstieg der Gehälter
Nach einer Pause in diesem Jahr steigen die Gehälter von 2022 bis 2023 zusätzlich um insgesamt 1,8 Prozent – das entspricht der schon vereinbarten Anhebung für 2020 aus der letzten Tarifrunde.
Weitere Tarifsteigerungen und Anhebungen bei den Sonderzahlungen sollen von einer paritätisch besetzten Kommission positiv entschieden werden, wenn es die wirtschaftliche Lage erlaubt. Glaubt man den Verlautbarungen des Konzerns, der von "schnellen Fortschritten bei der Sanierung" ausgeht, so werden sich in dieser Hinsicht gute Möglichkeiten ergeben. Denn in dem neuen Tarifvertrag hat sich die Arbeitgeberseite gerade verpflichtet, bis Ende 2024 bei Galeria Karstadt Kaufhof keine Lizenzgebühren oder Gewinne zu entnehmen.
"Bis 2023 werden wir eine Umsatzrendite von zwei bis drei Prozent erreichen", kündigte Chefmanager Stephan Fanderl kürzlich an. Inwieweit hier Zweckoptimismus die Regie führt, wird die Zukunft zeigen.
ver.di jedenfalls macht immer wieder deutlich, dass motiviertes Fachpersonal den entscheidenden Vorteil des Warenhauses ausmacht. Hervorzuheben sind deshalb auch die jetzt vereinbarten Regelungen zur Mindestbesetzung in den Filialen, zum Abschluss eines Tarifvertrages "Gute und gesunde Arbeit", mit dem Gesundheitsbelastungen reduziert werden sollen, sowie zur Begrenzung von Flächenvermietungen.
Investitionen dringend nötig
"Um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen, sind Investitionen dringend notwendig", stellt Verhandlungsführer Orhan Akman klar. "Wir haben erreicht, dass bis September 2020 mindestens 700 Millionen Euro verbindlich investiert werden." Vor allem die Rückkehr in die Tarifbindung sieht er als einen "Riesenerfolg". Gleiches gelte für die vereinbarte Mitsprache der Beschäftigten bei der zukünftigen Ausrichtung des Warenhauses. Fest steht: Hier liegen große Chancen, die das Management nicht ignorieren sollte.