"Ich lege für die Leute meine Hand ins Feuer, weil sie zuverlässig sind. Es wäre schön, wenn ich mich auf deine Zusage verlassen kann, es kommen sogar zwei Mitarbeiter, die ihren Urlaub unterbrechen." Zitat aus der SMS einer Mitarbeiterin der Firma Kötter Security an einen Kollegen, den sie aufforderte, am 10. Januar 2019 zur Arbeit zu kommen, obwohl er an diesem Tag nicht zum Dienst eingeteilt war. Er sollte, wie die "zwei Mitarbeiter, die ihren Urlaub unterbrechen", als Streikbrecher benutzt werden. Kötter Security ist nicht irgendeine Firma – es ist eines der größten Unternehmen für Fluggastkontrollen.

ver.di-Sekretär Özay Tarim, tätig im ver.di-Bezirk Düssel-Rhein-Wupper, machte das Zitat öffentlich. Er hat, wie die taz am 22. Dezember 2019 schrieb, die Flughafen-Sicherheitssparte in Nordrhein-Westfalen, "die lange als prekär und unorganisierbar geltende Branche", aufgemischt.

Seinen Anfang nahm der Konflikt zwischen ver.di und den Arbeitgebern im Jahre 2011. Vorher waren 12 Stunden Anwesenheitspflicht am Flughafen (zehn Stunden Arbeit – zwei Stunden unbezahlte Pause) die Regel. ver.di gelang es, innerhalb von zweieinhalb Jahren an vier Flughäfen in NRW 1.000 neue Mitglieder zu gewinnen und darauf aufbauend überdurchschnittliche Lohnerhöhungen durchzusetzen.

In den Folgejahren herrschte immer wieder Personalmangel – entsprechend stiegen die Belastung und der Krankenstand der Mitarbeiter*innen der Fluggastkontrolle. Die Warteschlangen am Check-in wurden lang und länger. 2018 dann die erste Verwarnung: Kötter bekam eine Abmahnung der Bundespolizei wegen "Schlechtleistung" bei der Fluggastkontrolle und musste 250 neue Leute einstellen. Das Geschäftsmodell "Luftsicherheit mit niedrigstem Personalbestand" geriet ins Wanken.

Die ver.di-Forderung zum bundesweiten Entgelttarifvertrag für die Flughäfen lautete Anfang 2019: 20 Euro für alle Mitarbeiter*innen der Fluggastkontrolle. Der Streiktag am 10. Januar sollte diese Forderung bekräftigen.

Özay Tarim machte die Streikbrecher-SMS im Februar 2019 per Flugblatt publik. Der Kollege, der die an ihn gerichtete SMS gegenüber ver.di offengelegt hatte, bekam von Kötter die fristlose Kündigung.Und nachdem der Betriebsrat der Kündigung nicht zugestimmt hatte, schickte Kötter ihm eine erneute Kündigung. Begründung: Er habe zu viele krankheitsbedingte Fehltage.

Anlass für ein zweites Flugblatt im März, denn "eine betriebliche Regelung ... besagt: ein befristet Beschäftigter mit weniger als 25 Krankentagen ist zu entfristen". Kötter behauptete dann, "dass der Mitarbeiter 26 Krankentage hat. Der Kollege hat aber nachweislich ... nur eine Woche krankheitsbedingt gefehlt. Kötter-Führung lügt und manipuliert" – so steht es im ver.di-Flugblatt.

Mit einem derart beharrlichen ver.di-Sekretär hatte Kötter offenbar nicht gerechnet. Da musste sich die Unternehmensleitung erst Gedanken machen, wie sie so einen Mann nach zehn Jahren mundtot machen konnte. Deshalb hat es wohl auch ein halbes Jahr gedauert, bis Kötter im August 2019 eine Unterlassungsklage beim Gericht einreichte. Özay Tarim soll all das, was er in seinen Flugblättern veröffentlicht hatte, nicht wiederholen dürfen.

Nach einer ergebnislosen Güteverhandlung kam es zur Gerichtsverhandlung am 20. Dezember 2019, die keine Einigung brachte. Das Arbeitsgericht Düsseldorf regte an, das Verhältnis zwischen ver.di und Kötter per Mediation zu klären. Özay Tarim sagt: "Das wäre schon interessant geworden, aber Kötter mochte darauf nicht eingehen!"

Den Streitwert hatte Kötter auf 112.500 Euro geschätzt. "Kötter-Geschäftsführer Lange, der auch Vizepräsident des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen ist, dachte wohl, mich mit dieser Summe einschüchtern zu können," glaubt Özay Tarim, "aber wir stehen zu dem, was wir veröffentlicht haben, es ist die Wahrheit."

Auf ein drittes Flugblatt, in dem aufgedeckt wurde, dass es bei Kötter Arbeitsverträge mit gesetzwidrigen Streikverbotsklauseln gibt, hat das Unternehmen nicht reagiert.

In der Sackgasse

Am 10. Januar 2020 gibt Kötter schließlich bekannt, sich nicht mehr an der Ausschreibung für die Fluggastkontrolle für die Zeit ab Juni 2020 am Flughafen Düsseldorf zu beteiligen.

Luftsicherheit auf dem Rücken der Mitarbeiter*innen? Dank konsequenter gewerkschaftlicher Basisarbeit geht das auf Dauer nicht. Die Schlussfolgerung ist für Tarim klar: "Luftsicherheit darf nicht gewinnorientiert organisiert werden. Privatisierung ist eine Sackgasse – das zeigt sich hier wieder einmal." Doch kein Grund zur Sorge für die Kötter-Mitarbeiter: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes muss das nachfolgende Unternehmen in einem solchen Fall die Belegschaft zu den aktuellen Bedingungen übernehmen.

Der Fortsetzung des Verfahrens am 16. März 2020 vor dem Arbeitsgericht sieht Tarim gelassen entgegen – und verweist darauf, dass der Kollege, dem Kötter insgesamt drei Mal kündigen wollte, noch immer im Unternehmen ist.

"Unsere offensive Öffentlichkeitsarbeit hat den Kollegen im Betrieb geschützt!" sagt Andrea Becker vom ver.di-Fachbereich 13 in NRW. Die Firma Kötter habe mit ihren zum Teil unlauteren Methoden, wie das Arbeitsrecht oder das Streikrecht zu umgehen, ein Imageproblem bekommen. Die Klage sei ein Ablenkungs- versuch gewesen.

Nicht mehr an ihrem Platz ist aber die Mitarbeiterin, die die SMS verschickt hat. Sie hatte darin auch angedeutet, dass sich eine Mitwirkung als Streikbrecher positiv auf eine unbefristete Festanstellung auswirken würde. Der Betriebsrat fand, sie störe den Betriebsfrieden. Über ihren weiteren Verbleib im Unternehmen ist ver.di nichts bekannt.

Mehr Lohn erreicht

Die Arbeit der privaten Sicherheitsunternehmen in der Fluggastkontrolle beruht auf dem "Luftsicherheitsgesetz". Auftraggeber der Firmen ist die Bundes- polizei (Bundesinnenministerium), die je nach Fluggastaufkommen täglich eine bestimmte Anzahl von Luftsicherheitsassistent*innen für die verantwortungsvolle Arbeit anfordert. In NRW konnte ver.di in den Tarifrunden seit 2011 Lohnsteigerungen von damals unter 10 Euro bis über 19 Euro ab 2021 erreichen.