Ausgabe 01/2020
Zurück zum Staat
Die Privatisierung im Gesundheitswesen ist weiter auf dem Vormarsch. Doch angesichts der dramatischen Folgen für Beschäftigungsbedingungen und Versorgungsqualität wächst die Kritik. In Thüringen soll es nun in die andere Richtung gehen: Die dortige Landesregierung aus Die Linke, SPD und Grünen hat beschlossen, die 2002 privatisierten Einrichtungen des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Straftäter wieder in öffentliche Trägerschaft zu übernehmen.
"In dem hochsensiblen Bereich des Maßregelvollzugs, dem erhebliche Grundrechtseingriffe immanent sind, soll das staatliche Gewaltmonopol, ebenso wie im Strafvollzug, künftig wieder unmittelbar gewahrt werden", kündigte Sozialministerin Heike Werner (Die Linke) an. Sie verwies auf die Gefahr von Interessenkonflikten, wenn hoheitliche Aufgaben an private Firmen delegiert werden. "Diese Gefahr lässt sich aber gerade immer dann nicht gänzlich ausschließen, wenn wirtschaftliche Anreize und Gewinn-Erzielungsabsichten eine Rolle spielen."
2002 hatte Thüringen die psychiatrischen Fachkrankenhäuser in Hildburghausen, Stadtroda und Mühlhausen an die Konzerne Helios, Asklepios und an einen kirchlichen Träger aus Caritas und Diakonie vergeben. Die entsprechenden Beleihungsverträge hat die Landesregierung nun gekündigt, sodass die Kliniken in Hildburghausen und Mühlhausen ab 2022 wieder öffentlich betrieben werden können. Beim Fachkrankenhaus Stadtroda, in dem die Vereinbarung mit Asklepios noch bis Ende 2031 läuft, ist das erst später möglich.
"Wir begrüßen es außerordentlich, dass der Maßregelvollzug wieder in staatliche Hand kommt", sagt Bernd Becker, der bei ver.di in Thüringen für das Gesundheits- und Sozialwesen zuständig ist. "Zu Recht werden Gefängnisse in diesem Land nicht privat betrieben. Das muss umso mehr für die Unterbringung psychisch kranker Straftäter gelten." ver.di stehe bereit, die Überleitung der Beschäftigten in den Landesdienst und dessen Tarifvertrag zu begleiten und abzusichern.
Die Überführung in den Tarifvertrag der Länder (TV-L) würde sich nicht nur für die Beschäftigten von Asklepios und Helios positiv auswirken, sondern auch im Ökumenischen Hainich Klinikum Mühlhausen. Statt Tarifverträgen gelten dort die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks Mitteldeutschland, die deutlich unter dem Niveau des Flächentarifvertrags liegen. "Der Länder-Tarifvertrag ist nicht nur besser", sagt Becker. "Er kommt auch in Verhand- lungen auf Augenhöhe zustande – nicht per Zwangsschlichtung, wie die kirch- lichen Arbeitsvertragsrichtlinien in Mitteldeutschland."
Der Gewerkschafter verweist zudem darauf, dass die Rückholung der Kliniken den Staat kein Geld kostet – im Gegenteil. Laut Sozialministerium wird das Land dadurch mindestens drei bis vier Prozent der bisherigen Kosten einsparen. Denn in den Beleihungsverträgen sind auch Gewinnzuschläge für die kommerziellen Träger enthalten.
Positive Erfahrungen bei der Berliner CFM
Welche Vorteile direkte staatliche Kontrolle in Unternehmen der Daseinsvorsorge bietet, zeigt das Beispiel der Charité Facility Management GmbH (CFM): Seit die Servicetochter der Berliner Uniklinik Anfang 2019 wieder vollständig in öffentlichem Besitz ist, werden dort keine sachgrundlos befristeten Arbeits-verträge mehr geschlossen.
Viele Jahre lang war bei der CFM mehr als jede*r vierte Beschäftigte befristet angestellt. Beschlüsse des Abgeordnetenhauses und des Senats, in landeseigenen Unternehmen keine sachgrundlos befristeten Verträge mehr abzuschließen, wurden von der CFM schlicht ignoriert – zumindest solange ein privates Konsortium aus Dussmann, Vamed und Hellmann 49 Prozent der Anteile hielt.
Zum 1. Januar 2019 holte der von SPD, Die Linke und Grünen getragene Senat die CFM komplett zurück in Landeseigentum. "Das hat die Blockade der privaten Träger beseitigt, seither werden keine sachgrundlos befristeten Arbeitsverträge mehr geschlossen", berichtet der Betriebsratsvorsitzende Maik Sosnowsky. "Es macht eben einen Unterschied, ob Einrichtungen der Daseinsvorsorge von kommerziellen Interessen bestimmt werden oder nicht." In der Frage eines Tarifvertrags, für den die CFM-Beschäftigten schon lange streiten, gibt es hingegen noch keine Einigung. "Auch da muss jetzt endlich was passieren", fordert Sosnowsky. "Dass die privaten Anteilseigner draußen sind, macht manches leichter, es löst aber natürlich nicht alle Probleme. Wir müssen weiter für unsere Interessen kämpfen – unabhängig von der Trägerschaft."