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Kollegialität gehört nicht zum Anforderungsprofil für eine Arbeitsstelle. Doch sie ist eine zentrale Fähigkeit für das gute Miteinander im Betrieb. Beachtliche 86 Prozent der Beschäftigten im Dienstleistungssektor können in hohem Maß auf kollegiale Hilfe bauen. Das ergab die Auswertung einer Repräsentativumfrage nach dem DGB-Index Gute Arbeit durch den ver.di-Bereich Innovation und Gute Arbeit zum Thema Kollegialität.

"Kollegialität ist ein Gut, das es zu pflegen und auszubauen gilt", schreibt der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke in seinem Vorwort zur Broschüre, die die Befragungsergebnisse zusammenfasst. Dort, wo es an Kollegialität fehle, gebe es auch keine Solidarität, gewerkschaftliches Handeln werde unmöglich, und Gute Arbeit rücke in weite Ferne. Doch tatsächlich ist kollegiales Verhalten weit verbreitet. Auch in Betrieben, in denen die Geschäftsleitung kein Interesse daran zeigte, verhielten sich drei Viertel der Belegschaft kollegial, ergab die Auswertung.

"Von jeher ist die Streikbereitschaft bei uns hoch"
Marc-Oliver Thöne, Betriebsratsvorsitzender GKK HH-Wandsbek

Dass ein kollegiales Miteinander der Beschäftigten Grundlage für solidarisches Handeln ist und mehr als gute Teamarbeit bedeutet, haben Mark-Oliver Thöne und seine Kolleg*innen der Galeria Karstadt Kaufhof (GKK)-Filiale in Hamburg-Wandsbek im vergangenen Herbst erlebt. Eigentlich sollte das Haus im Zuge des Insolvenzverfahrens bei GKK geschlossen werden. Doch die rund 110 Warenhausmitarbeiter*innen, die Kolleg*innen aus der Feinkost-Abteilung und auch die aus den vermieteten Geschäften kämpften gemeinsam hartnäckig für den Erhalt der einstigen Karstadt-Filiale – mit Erfolg.

"Bei uns gibt es eine lange Tradition der Kollegialität", sagt Marc-Oliver Thöne, der seit 33 Jahren hier arbeitet und seit fünf Jahren Betriebsratsvorsitzender des Wandsbeker GKK-Hauses ist. "Von jeher ist die Streikbereitschaft bei uns hoch. Mehr als 90 Prozent der Belegschaft sind in ver.di organisiert." Die Eigentümerin Signa-Holding habe mit einigen Neuerungen nach der Übernahme erst von Karstadt, dann von Galeria Kaufhof zwar dem guten Betriebsklima geschadet, etwa mit der Trennung der Belegschaft in Kassenteams und Teams für die Warenverräumung. Doch mit dem ersten Lockdown wegen der Corona-Pandemie und dem anschließenden Insolvenzverfahren seien alle wieder eng zusammengerückt.

Heike Lattekamp, Fachbereichsleiterin Handel im ver.di-Landesbezirk Hamburg, beschreibt in der Broschüre die ausgeprägte Kollegialität der GKK-Beschäftigten in der Hansestadt auch nach der Fusion der beiden Warenhausunternehmen. "Der Zusammenhalt hat sich als goldrichtig erwiesen, als schon sechs Monate nach der endgültig vollzogenen Fusion Filialschließungen angekündigt wurden." Dank ihres gemeinsamen Einsatzes gegen die Warenhausschließungen erreichten die Belegschaften, dass zwei Filialen in Hamburg weiter offen blieben. "Ohne gut entwickelte Kollegialität wäre dieser Erfolg undenkbar gewesen", so Heike Lattekamp.

"Bei uns gibt es kein Gegeneinander"
Stefanie Erdelbrauk, Betriebsrätin bei Do-Netz

Ein kollegialer Umgang wird auch in Betrieben gelebt, deren Geschäfte gut laufen. "Kollegialität ist unser Geheimrezept für viele Erfolge", sagt etwa Stefanie Erdelbrauk, Betriebsrätin beim Dortmunder Strom- und Gasnetzbetreiber Do-Netz, hervorgegangen aus den früheren Stadtwerken. "Bei uns gibt es kein Gegeneinander; die Kolleginnen und Kollegen sind bereit, sich über die dienstlichen Aufgaben hinaus zu unterstützen." Bei Do-Netz, das gemeinsam mit dem Energie- und Wasserversorger DEW 21 einen Betrieb mit rund 1.000 Beschäftigten und einem Betriebsrat bildet, legten auch die Chefs großen Wert auf ein kollegiales Klima. So gebe es ein von der Geschäftsleitung initiiertes Projekt zur Unternehmenskultur, an dem sich die Belegschaft beteilige. Das bedeute aber nicht, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dieser Frage völlig identische Interessen hätten.

Wie wichtig Kollegialität bei ihnen sei, zeige sich während der Corona-bedingten Arbeit im Homeoffice, sagt Stefanie Erdelbrauk. "Da wir alle den direkten Kontakt sehr vermissen, sind wir zu wahren Meistern der Digitalisierung geworden. Wir haben digitale Gesprächskreise, tauschen uns privat in Videositzungen aus, und konnten eine Belegschaftsversammlung online veranstalten."

Die in der Broschüre vorgestellten Befragungsergebnisse zeigen, dass Kollegialität in der Dienstleistungsbranche weit verbreitet ist und hoch geschätzt wird. Dort, wo es nicht klappt mit dem kollegialen Miteinander am Arbeitsplatz, sind Belastungen und Stress stärker verbreitet. Frühzeitiges Gegensteuern könnte sich also lohnen.

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