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Wütend und fassungslos – Beschäftigte schlagen am Tag der Schließung ihrer Filiale auf Benko aus Pappe einFoto: Roland Weihrauch/dpa

Wie oft kann ein Unternehmen auf die Pleite zusteuern, um anschließend die Beschäftigten sowie den Staat zur Kasse zu bitten? Im Fall der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof lautet die Antwort: offenbar immer wieder. Ende Oktober beantragte das Unternehmen erneut Insolvenz in einem Schutzschirmverfahren – wie schon 2020.

Am 7. Oktober 2022 hatte das Management den 2020 mit ver.di abgeschlossenen Integrations- und Überleitungstarifvertrag gekündigt, der Standort- und Beschäftigungssicherung ebenso vorsah wie Entgeltsteigerungen bis zum Niveau der Flächentarifverträge für den Einzel- und Versandhandel. Galeria, das zum Immobilienkonzern Signa des österreichischen Milliardärs René Benko gehört, machte als Grund für die Vertragskündigung eine wirtschaftliche Notlage geltend. Das war bereits zweimal während der Corona-Pandemie geschehen sowie 2019, als Galeria erstmals in die Insolvenz ging. Immer hatte das Unternehmen für den Neustart viele Millionen Euro Hilfe aus Steuermitteln sowie durch Entgeltverzicht der Beschäftigten erhalten.

Beim neuerlichen Insolvenzverfahren könnte ein Drittel der 131 Warenhäuser von Schließung bedroht sein, hieß es nun. Damit wären tausende Arbeitsplätze in Gefahr. Stefanie Nutzenberger, für den Handel zuständiges ver.di-Bundesvorstandsmitglied, forderte eine Absicherung für die Beschäftigten.

ver.di will verhandeln

"Nicht nur das Unternehmen, auch die 17.000 Beschäftigten befinden sich in einer Notlage", hatte Stefanie Nutzenberger nach der Tarifflucht Anfang Oktober erklärt. Die Inflation ermögliche den Kolleg*innen keinerlei Verzicht auf Entgelt. Es müsse umgehend verhandelt werden, darüber habe sich die Tarifkommission schnell verständigt. Nach der Insolvenzanmeldung ist der Verhandlungsbedarf über die Zukunft der Warenhauskette und ihrer Beschäftigten noch dringender.

Schon jetzt verzichten die Beschäftigten auf Bestandteile ihres monatlichen Tarifeinkommens sowie auf Weihnachts- und Urlaubsgeld. Bei einer Vollzeitkraft sind das rund 5.500 Euro im Jahr. Ihre "persönlichen Verluste" hätten die Beschäftigten "in Galeria investiert", so Nutzenberger. ver.di hatte vom Eigentümer und Management ein Zukunftskonzept erwartet, in dem sie soziale Verantwortung übernehmen und die Notlage der Beschäftigten berücksichtigen. Und jetzt? "Wo ist eigentlich René Benko in dieser entscheidenden Zeit?", fragt der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, der Belegschaft stelle er sich jedenfalls nicht.

Das Gutachten

Die Galeria-Geschäftsleitung hatte zunächst vor, nur staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Das Fachmedium berichtete am 20. Oktober über ein Gutachten, das Galeria eine "positive Fortführungsprognose" bescheinigte. Die Rede war von erwünschten Finanzhilfen bis zu 300 Millionen Euro. Hätte die Signa-Tochter diesen Betrag bekommen, würden sich die seit der Corona-Krise erhaltenen Hilfen auf über 900 Millionen Euro summieren. Bisher hat das Unternehmen noch keinen Cent der aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds gewährten Mittel zurückgezahlt. Da Galeria im Geschäftsjahr 2020/21 ein Minus von 622 Millionen Euro gemacht hatte, womit das Eigenkapital aufgebracht war, gehört das Unternehmen eigentlich längst den großen Gläubigergruppen, den Beschäftigten und den Steuerzahlern.

Solange es keinen neuen Tarifvertrag gibt, wirken nach Auffassung von Arbeitsrechtlern und ver.di die Bestimmungen des gekündigten Integrations- und Überleitungstarifvertrages nach. Damit muss Galeria den Beschäftigten die dort vereinbarten Entgeltsteigerungen zahlen. Sollte die Unternehmensleitung das nicht tun, könnten sie ihre Ansprüche einklagen.