Ausgabe 10/2007
Neu: Demo für Hungerlöhne
Bestellter Protest gegen den Mindestlohn und eine neue Pseudo-Gewerkschaft
Es ist ein konzertierter Angriff auf ver.di und den tariflichen Mindestlohn für die Postdienste: Erst Artikel in der Springerpresse, gefolgt von ganzseitigen Anzeigen einer "Initiative deutscher Zeitungen", dann eine Demonstration der Niedriglöhner gegen den Mindestlohn auf Geheiß der privaten Arbeitgeber und schließlich die Gründung einer Pseudo-Gewerkschaft. Es ist der Versuch, die Ausweitung des von ver.di mit dem Arbeitgeberverband Postdienste ausgehandelten Mindestlohns zwischen 8 und 9,80 Euro zu verhindern.
Den wollen die privaten Postdienstleister wie etwa die PIN AG nicht zahlen, ihre Briefzusteller arbeiten zum Niedriglohn. Für viele reicht der nicht zum Leben, sie müssen trotz Vollzeitarbeit zusätzlich Hartz IV beantragen. Mehrheitseigner der PIN AG ist der Springerkonzern. Und so titelte etwa die BILD: "Mindestlohn? Der kostet uns den Job". Und das Berliner Boulevardblatt B.Z., ebenfalls aus dem Hause Springer, erschien mit dem Titel "Mindestlohn-Beschiss". Begleitet wird die redaktionelle Agitation für die Hungerlöhne seit Anfang Oktober durch ganzseitige Anzeigen in den Springer- Zeitungen, gezeichnet von der "Initiative deutscher Zeitungen".
Im Namen der Ungelernten
Da werden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) bezichtigt, gemeinsame Sache mit der Deutschen Post AG zu machen und die Abschaffung des Postmonopols "unterwandern" zu wollen. Das, so heißt es da weiter, wohl deswegen, weil "der Staat ja immer noch mit an der Post verdient". Der von ver.di und dem Arbeitgeberverband Postdienste ausgehandelte Mindestlohn, so die Initiative in den opulenten Anzeigen, "würde die neuen Postunternehmer in den Ruin treiben". Und: "Jeder weiß, kleine private Postdienstleister können diese hohen Löhne noch nicht zahlen. Dadurch werden circa 50000 neue Arbeitsplätze vernichtet, die gerade für ungelernte Arbeiter ideal sind."
Zu diesen "kleinen privaten Zustelldiensten" gehört die PIN AG mit dem Anteilseigner Springer sicher nicht, schickte aber ihre unterbezahlten Zusteller zur Demonstration gegen den Mindestlohn. Und tatsächlich, es gab sie, die erste Berliner Demonstration für Hungerlöhne und gegen den Mindestlohn. Auf den mitgeführten Transparenten hieß es "DPAG + ver.di=Mafia" oder auch "Lieber Lohn von der PIN als Hartz IV von Müntefering". Obwohl doch viele von ihnen beides bekommen, weil ja der Lohn nicht reicht.
Und schließlich noch dies: Bezirks- und Filialleiter der PIN AG verteilten auf der einbestellten Demo gegen höhere Löhne Aufnahmeanträge für eine "GNBZ - Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste". Versteht sich: Nachdem die privaten Zustelldienste bereits einen eigenen Arbeitgeberverband in Konkurrenz zu dem Arbeitgeberverband Postdienste, dem auch die Deutsche Post AG angehört, gegründet haben, braucht es auch eine passende Arbeitnehmerorganisation. maria kniesburges