Ausgabe 04/2008
Erst mal riestern
Wer im Alter auf die Grundsicherung angewiesen ist, hat für den Staat geriestert. Aber die wenigsten wissen das frühzeitig
Niels Nauhauser, Produktmanager Altersvorsorge, Banken, Kredite der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V.
ver.di PUBLIK | Geringverdiener haben im Alter häufig nur Anspruch auf Grundsicherung. Eine Riester-Rente wird darauf allerdings angerechnet. Riestern Geringverdiener für den Staat?
NAUHAUSER | Das kann man so pauschal nicht sagen. Viele, die heute Geringverdiener sind, sind zum Beispiel verheiratet. Dann wird das Einkommen des Partners im Alter dazu gerechnet - und beide sind über der Grundsicherung. Dann lohnt sich Riestern für beide.
Nur für diejenigen, die außer der Grundsicherung im Alter gar nichts haben und die sich auch schon sicher sind, dass sie nichts haben werden, lohnt sich das Riestern tatsächlich nicht.
ver.di PUBLIK | Aber kann man da sicher sein?
NAUHAUSER | Nein. Kurz vor Renteneintritt kann man vermutlich relativ sicher absehen, wie viel Geld man im Alter hat. Aber je weiter man vom Rentenalter weg ist, desto unsicherer wird das. Das Einkommen kann steigen, man heiratet bis dahin vielleicht - da sollte man die Riester-Förderung auf jeden Fall mitnehmen. Außerdem: Wer weiß heute schon, wie hoch die Grundsicherung in Zukunft noch sein wird?
ver.di PUBLIK| In einem Beitrag hat das Fernseh-Magazin Monitor ausgerechnet, dass man 35 Jahre lang für rund 1900 Euro monatlich Rentenversicherungsbeiträge eingezahlt haben muss, um eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu erreichen. Sind daher nicht viele auf die Grundsicherung angewiesen?
NAUHAUSER | Die Rechnung ist meiner Meinung nach irreführend. Es wurde zum Beispiel angenommen, dass das Einkommen von 1900 Euro über 35 Jahre konstant bleibt, also niemals Lohnsteigerungen erzielt werden. Diese Annahme halte ich für realitätsfremd. Selbst bei den derzeit moderaten Lohnabschlüssen kann man zumindest noch eine gewisse Steigerung annehmen. Dann sieht die Rente natürlich wieder ganz anders aus.
ver.di PUBLIK| Raten Sie Berufsanfängern, sich nicht darauf zu verlassen, dass sie irgendwann zumindest die Grundsicherung bekommen?
NAUHAUSER | Richtig - vorausgesetzt, sie haben keine Schulden mehr. Berufsanfänger brauchen häufig noch Geld, um sich einen eigenen Hausstand aufzubauen. Wenn sie diese Ausgaben getätigt haben, können sie mit der Altersvorsorge beginnen. Wer von Anfang an keine Fehler machen will, sollte sich bei der Verbraucherzentrale beraten lassen.
ver.di PUBLIK| Was empfehlen Sie jemandem, der einen Riester-Vertrag hat und kurz vor Ende seines Arbeitslebens feststellt, dass er unter die Grundsicherung fällt?
NAUHAUSER | Wenn alle Einkünfte in der Summe unter der Grundsicherung liegen, könnte man den Riester-Vertrag vor Rentenbeginn kündigen. Dann muss man zwar die Förderung zurückzahlen, bekommt aber seine Einlage plus Zinsen zurück. Allerdings werden andere Einkünfte genauso wie die Riester-Rente auf die Grundsicherung angerechnet. Man sollte sich aber vorher unbedingt genau informieren, wie das mit der Anrechnung ist und was anrechnungsfrei bleibt. Ansprechpartner sind die Deutsche Rentenversicherung oder die Sozialämter.
Interview: Heike Langenberg