Ausgabe 04/2008
Wer hat, bekommt noch mehr
Ganz so teuer wird die neue Steuer nicht
Wie ein Damoklesschwert hängt die Abgeltungssteuer über den Konten und Depots der Sparer. Experten mahnen allerdings zur Besonnenheit. ver.di lehnt die Steuer ab, denn sie bevorzugt höhere Einkommen
VON SABINE SCHMITTNur keine Panik. So könnte das Gebot zur Abgeltungssteuer lauten. Zwar werben viele Banken bereits damit, jetzt noch schnell ein paar Schäfchen ins Trockene zu bringen, und versprechen "abgeltungssteuersichere" Geldanlagen, doch Verbraucherschutz-Experten warnen vor überhasteten Entscheidungen. "Das Anlagekriterium kann nicht die Steuer sein, sondern das Liquiditätsbedürfnis und die Lebensplanung jedes Einzelnen", sagt Finanzexperte Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen.
Über eins sollten sich Sparer jedoch im Klaren sein: Die neue Steuer auf Zinserträge, Kursgewinne und Dividenden kommt im nächsten Jahr, und jeder wird von ihr früher oder später betroffen sein. Vom 1. Januar 2009 an ist der Staat mit 25 Prozent an Zinsen und Gewinnen, die Sparer durch ihre Geldanlagen erwirtschaften, beteiligt - plus Solidaritätszuschlag und eventuell Kirchensteuer. Alles in allem sind das rund 28 Prozent.
"Für konventionelle Sparer, die auf Zinserträge ihrer Sparanlagen setzen, ist dies nicht unbedingt eine Verschlechterung", stellt Verbraucherschützer Gottschalk fest. Denn Zinserträge wurden auch bislang schon besteuert, wenn sie über dem festgelegten Sparerfreibetrag von 801 Euro für Singles oder 1602 Euro für Verheiratete lagen. Der Freibetrag bleibt auch erhalten, wenn die Abgeltungssteuer gilt. Der Unterschied liegt dann allerdings darin, dass die Zinserträge nicht mehr dem persönlichen Steuersatz unterliegen, sondern unabhängig davon mit besagten rund 28 Prozent abgegolten werden - daher der Name Abgeltungssteuer. Ein Rechenbeispiel: Ein Alleinstehender mit einem Jahreseinkommen von 30000 Euro zahlt 32,1 Prozent Einkommenssteuer. Bislang werden mit diesem Satz auch seine Zinseinkünfte besteuert, künftig sind es rund vier Prozent weniger.
"Zinssparer mit mittleren und hohen Einkommen sind klar die Gewinner der Steuer", sagt Thomas Dambier, Finanzexperte bei der Stiftung Warentest. Wer weniger verdient und damit einem niedrigeren Steuersatz unterliegt, aber dennoch Geld zur Seite gelegt hat, ist von der Abgeltungssteuer nur indirekt betroffen: Zwar führt die Bank zunächst das Geld direkt an das Finanzamt ab, über seine Steuererklärung kann sich der Sparer das Geld jedoch im Folgejahr zurückholen. "Die Abgeltungssteuer ist nicht das Monster, zu dem es viele Banken derzeit machen", betont Dambier.
Abgeltungssteuer fällig bei Aktien- und Fondsverkauf
Vollkommen anders sieht es im Bereich von Fonds- und Aktienanlagen aus. Wer bislang die Spekulationsfrist von einem Jahr eingehalten hat, musste keine Steuern auf Kursgewinne zahlen, und Dividenden waren nur zur Hälfte steuerpflichtig. Damit ist es ab 2009 vorbei. Für jeden Aktien- oder Fondsverkauf wird Abgeltungssteuer fällig. Riester-Fondsparpläne, Rürup-Rente und betriebliche Vorsorgepläne sind allerdings von der Abgeltungssteuer ausgenommen, ebenso wie Rentenversicherungen.
Wer unabhängig davon plant, einen Fondssparplan anzulegen, muss künftig mit der Abgeltungssteuer rechnen. Fondsgebundene Rentenversicherungen, die eine Alternative darstellen sollen, sind nach Meinung der Experten aber nicht unbedingt besser, weil bei diesen Produkten die hohen Abschlusskosten und Provisionen zu Buche schlagen.
Wer schon Geld besitzt, sollte sich tatsächlich noch 2008 um die optimale Anlage kümmern. Gottschalk allerdings warnt davor, sein Geld jetzt vorschnell in einen so genannten Dachfonds zu stecken, in dem der Fondsmanager auch im kommenden Jahr zwischen einzelnen Fonds wechseln kann, ohne dass die Steuer zuschlägt. "Bei diesen Angeboten sollte man die Kosten im Auge behalten, denn die fallen zwei Mal an", sagt Gottschalk. "Zum einen für den Abschluss des Dachfonds und dann auch noch für den Zielfonds."
Die Abgeltungssteuer selbst sieht der Bremer Verbraucherschützer kritisch: "Zusammengefasst könnte man sagen: Wer hat, dem wird noch mehr gegeben. Wer erst noch ein Vermögen aufbauen will, dem wird das erschwert. Da gibt es eine soziale Schieflage." Ähnlich sieht dies auch Ralf Krämer, Referent im Bereich Wirtschaftspolitik beim ver.di-Bundesvorstand: "Die Abgeltungssteuer ist eine Begünstigung für Leute mit höheren Einkommen. Wir lehnen sie deshalb ab."