Ausgabe 06/2008-07
Pflege in Not
Pflege in Not
ver.di gründet Aktionsbündnis zur Rettung der Krankenhäuser
Kurz vor der politischen Sommerpause überkam die Bundesgesundheitsministerin Hektik. Zu groß war der Druck geworden, vor allem von ver.di. Ulla Schmidt (SPD) kündigte ein Hilfsprogramm für die deutschen Krankenhäuser an. Sie stellte eine Summe von 1,5 Milliarden in Aussicht. Und: Ulla Schmidt will ein Sonderprogramm zur Neueinstellung von 21000 Pflegekräften in den kommenden drei Jahren anschieben. "Das verbuchen wir als erste Erfolge für unsere Kampagne ,Der Deckel muss weg'", sagt Ellen Paschke, im ver.di-Bundesvorstand für den Gesundheitsbereich zuständig.
Dennoch lösen beide Ankündigungen nicht die fundamentalen Probleme, unter denen die Krankenhäuser leiden: Finanznot und Personalknappheit. 10 bis 15 Millionen Überstunden hätten sich inzwischen angesammelt, hat ver.di berechnet. Das hat Folgen für die Patienten. Personalräte berichten von zunehmender gefährlicher Pflege. Der Gesundheitszustand von Operierten wird nur lückenhaft überprüft, bewegungsunfähige Patienten werden verspätet gefüttert, Medikamente von Auszubildenden ausgeteilt. Das Personal ist völlig überlastet (siehe Seite 1).
Selbst mit den 21000 in Aussicht gestellten neuen Pflegekräften wäre nicht einmal der Personalstand von 1991 erreicht. Damals gab es noch 326000 Vollpflegekräfte - und eine Million weniger Patient/innen. Und damals hätte es bereits einen Pflegenotstand gegeben, sagt Paschke. "Wird die Finanzierung nicht auf stabile Beine gestellt, dann müssen die Krankenhäuser in anderen Bereichen verschärft Personal abbauen, und das ist für die Patientenversorgung genau so schädlich." Denn auch OP-Schwestern, Medizintechniker und Laborantinnen fehlen. In diesen und anderen Bereichen sind von 2003 bis 2006 laut Statistischem Bundesamt 18500 Vollkräfte abgebaut worden.
ver.di fordert Umsteuern
Daher fordert ver.di eine grundlegende Lösung. "So lange die Krankenhausbudgets nicht an den Erfordernissen der Krankenversorgung, sondern an der Sparvorgabe des gesetzlichen Deckels ausgerichtet werden, wird sich die desolate Situation an den Kliniken nicht ändern", sagt Paschke. Um die Politik endlich zum Umsteuern zu bewegen, hat ver.di Ende Juni mit Kliniken, Städten und Arbeitgebern ein breites Aktionsbündnis gegründet. Das Motto: "Lichter aus im Krankenhaus?"
Das Bündnis steht unter der Federführung der Deutschen Krankenhausgesellschaft, weitere Mitglieder sind der Deutsche Städtetag, die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, der Deutsche Beamtenbund Tarifunion, der Marburger Bund, die Bundesärztekammer, der Deutsche Pflegerat sowie der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands.
Das Aktionsbündnis "Rettung der Krankenhäuser" ruft zu einer Großdemonstration am 25. September in Berlin auf.UTA VON SCHRENK