Ausgabe 12/2008
Der ausgesperrte Patient
Seit Monaten fordern die Beschäftigten der Hedon-Klinik in Lingen einen Tarifvertrag. Inzwischen wird gestreikt und ausgesperrt
An der Hedon-Klinik in Lingen (Niedersachsen) streiken die Beschäftigten für einen Tarifvertrag. Der Betreiber der Reha-Klinik, die private Krankenhauskette MediClin, weigert sich, mit den verdi-Kolleg/innen zu verhandeln und hat sogar schon einen Patienten ausgesperrt. Man wolle "Tariffragen nicht mit der Gewerkschaft, sondern wie bisher mit dem Betriebsrat erörtern", ließ ein Unternehmenssprecher die Lokalzeitung Lingener Tagblatt wissen.
MediClin Geschäftsführer Dirk Schmitz verweist auf die schwierige wirtschaftliche Lage, vor allem bei den Reha-Kliniken, die 2008 "bestenfalls mit einer schwarzen Null" abschließen. Mit Blick auf die Wirtschaftskrise könne sich MediClin nicht mit einem konzernweiten Tarifvertrag binden. Einzelne Haustarifverträge wären für das Unternehmen zu unübersichtlich. Der einzige Haustarifvertrag im Konzern sei der im saarländischen Blieskastel. Sonst gelte konzernweit die "Arbeits- und Sozialordnung", in der Arbeitsbedingungen und Gehälter festgeschrieben seien.
"Der MediClin-Konzern misst offensichtlich mit unterschiedlichem Maß: Die letzte Erhöhung der Bezüge des Vorstands betrug bis zu 30 Prozent, die Beschäftigten werden mit Gehaltserhöhungen weit unter dem Durchschnitt abgespeist. Obwohl die Klinik seit Jahre Gewinne in Millionenhöhe macht", kritisiert verdi-Bezirkssekretärin Sabine Becker in Osnabrück. Die Finanzkrise ist nach ihrer Ansicht nicht der wirkliche Grund für MediClin, einen konzernweiten Tarifvertrag abzulehnen. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass der Konzern die Entscheidungsgewalt über die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten einseitig in der Hand behalten will.
Um diesen Zustand zu beenden, fordern die ver.di-Mitglieder einen verbindlichen Mantel- und Entgelt-Tarifvertrag. Darin wollen die Streikenden eine Tariferhöhung von 6,5 Prozent, Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die im öffentlichen Dienst übliche 38,5-Stunden-Woche festschreiben.
20 Euro für Streikbrecher
Gerd Dielmann, Mitglied im Aufsichtsrat von MediClin und ver.di-Sekretär in der Bundesverwaltung, verweist auf Tarifverträge, die private Klinikbetreiber mit ver.di abgeschlossen haben. So entspricht der Tarifvertrag der Sana-Kliniken etwa dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Mitte November stimmten 96 Prozent der Beschäftigten in einer Urabstimmung für Streik. Die Hedon-Klinik antwortete mit Aussperrungen. Am 26. November schickte sie zwei Kolleginnen, am folgenden Tag 28 Beschäftigte nach Hause. MediClin heuerte Leiharbeitskräfte als Streikbrecher an. Den Beschäftigten, die nicht streiken, bietet das Unternehmen eine Prämie von 20 Euro je Streiktag an. Schon vorher hatte der Lingener Klinikchef einen Patienten gleich mit ausgesperrt. Weil er für die Streikenden Unterschriften sammeln wollte, wurde er vor die Tür gesetzt. "Ein einmaliger Vorgang", so Sabine Becker.
Die Streikenden fordern, dass die Konzernleitung von MediClin endlich Verhandlungen aufnimmt. Die jetzige Situation belastet Beschäftigte und Patienten.RF