Ausgabe 01/2009-02
Wir sind streikbereit
Die ver.di-Kampagne läuft: Die Frauen und Männer im Erziehungs- und Sozialdienst sind mehr wert
ver.di und GEW gemeinsam auf der Demo in München
"Chancen fördern, Anerkennung fordern" heißt das Motto der neuen ver.di-Kampagne für Erzieher/innen, Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/innen. Am 30. März - und sicher nicht nur dann - werden Beschäftigte in Kitas, in der offenen Jugendarbeit und auf Jugendämtern Buttons mit dem Slogan tragen. Damit zeigen sie ihre Unterstützung für ver.di und die Forderungen der Gewerkschaft in der zweiten Verhandlungsrunde mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber. Es geht - wen wundert's - um Geld, genau gesagt, um die bessere Eingruppierung von Erzieher/innen, Sozialarbeiter/innen, Sozialpädagog/ innen und Beschäftigten in Behinderteneinrichtungen. ver.di fordert für sie die Entgeltgruppen 9 und 10.
Aber es geht um noch mehr. Beschäftigte und Gewerkschaft wollen, dass die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien endlich überall in der Gesellschaft die Anerkennung bekommt, die sie verdient. Kitas werden zu Bildungseinrichtungen, das wollen alle, aber damit steigen auch die Ansprüche an die Arbeit. "Die Frauen und Männer in Kitas und in der Sozialarbeit sorgen für bessere Lebenschancen - gerade für Kinder aus bildungsfernen Milieus", sagt Harald Gie-secke, der in der ver.di-Bundesverwaltung die Fachgruppe Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe leitet. "Am 30. März wird es bundesweit Aktionen geben, und viele Beschäftigte fahren an dem Tag nach Frankfurt am Main, wo wir verhandeln werden. Im Februar wendet sich ver.di mit einem Elternbrief auch an die Familien, damit sie die Beschäftigten unterstützen." Er rechnet damit, dass viele das tun werden.
Das Beispiel Nürnberg: Aktionen sind jetzt möglich
"Wir sind sofort aktionsbereit", erklärt Peter Erlbeck, der Personalratsvorsitzende im Sozialreferat der Stadt Nürnberg, der selbst Sozialarbeiter in der Jugendarbeit war. "Wir hatten 2008 schon Warnstreiks in 50 Kitas. Die Kollegen in der offenen Jugendarbeit beteiligen sich. Und auch die Sozialpädagogen im allgemeinen Sozialdienst unterstützen die ver.di-Forderungen. Sie sind es schließlich, die unter besonders hohem Druck stehen. Sie arbeiten mit den Familien und müssen immer wieder entscheiden, ob ein Kind in der Familie bleibt oder nicht. Und gerade sie waren bisher die Verlierer bei der Eingruppierung. Das kann so nicht bleiben."
Das zweite Thema: Arbeit und Gesundheit
Daten der Krankenversicherung IKK von 2006 belegen, dass nur Krankenschwestern und -pfleger in Deutschland noch häufiger krankgeschrieben werden müssen als Erzieher/innen. Lärm und hoher psychischer Druck, ungeeignetes Mobiliar und schlechte Bildschirmarbeitsplätze machen krank. ver.di fordert daher das Recht für alle Beschäftigten in Kita und Sozialdienst, ihre Arbeitsplätze untersuchen zu lassen, jeden einzelnen Platz. Dabei muss festgestellt werden, was möglicherweise krank macht. Und danach steht dann die Frage: Was wird getan, um gesundheitsschädliche Faktoren zu verändern?
Schon damals, nach der Tarifrunde im Jahr 1990, berichtet Peter Erlbeck, haben Erzieherinnen in Nürnberg darauf hingewiesen, dass es neben dem Geld noch einen zweiten wichtigen Punkt für Tarifverträge gibt: die Arbeitsbedingungen. Inzwischen hat die Stadt Nürnberg als Arbeitgeber erkannt, "dass es billiger ist, in die Gesundheit der Beschäftigten zu investieren, als später einen hohen Krankenstand zu haben. So werden den Kollegen bei uns jetzt Massagen und kleine Schulungen zur Kurzzeitentspannung angeboten. Das kommt gut an. Es ist doch so: Wenn ein Sozialpädagoge 45 Minute mit einer Familie spricht, in der die Kinder schreien und die Eheleute sich übel beschimpfen, kann er danach nicht sofort in die nächste Familie gehen. Er braucht dann wirklich eine kurze Auszeit", sagt Erlbeck. Und viele Kollegen bestätigen das aus ihren Erfahrungen. Aber das sei nur ein Beispiel. Erlbeck betont: "Wir wollen die ver.di-Forderungen zum Geld und zum Gesundheitsschutz durchsetzen. Wir sind streikbereit. Die Kollegen wissen das."
Und die Arbeitgeber wissen es auch.
Claudia von Zglinicki