Vom Wert der Zeit

Arbeitszeitpolitische Initiative von ver.di: „Nimm dir die Zeit“

Fünf Tage in der Woche, von Montag bis Freitag arbeiten, Samstag und Sonntag ist frei. Davon können in Deutschland immer mehr Beschäftigte nur träumen. Laut Hartmut Seifert, Leiter des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung (WSI), breiten sich Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit kontinuierlich aus. Rund 59 Prozent der Beschäftigten arbeiteten 2007 zu diesen Zeiten, 1991 waren es erst 34 Prozent.

Besonders die Arbeit am Samstag hat zugenommen. Etwa 46 Prozent der Beschäftigten müssen zumindest gelegentlich auf ein komplett freies Wochenende verzichten. 1991 waren es erst 33 Prozent. Samstagsarbeit wird normal und der Trend greift auch auf den Sonntag über, der immer mehr seine Funktion als Ruhetag verliert.

Nüchterne Zahlen, die für die Betroffenen mit negativen Folgen für ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden und ihr Privatleben verbunden sind. Wie wichtig ihnen eine geregelte Arbeitszeit ist, wurde auch im DGB-Index "Gute Arbeit" deutlich. Von den Beschäftigten, die nach dem Index unter schlechter Arbeit leiden, haben nur 51 Prozent Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitszeit. Von denjenigen mit mittelmäßiger Arbeit können 74 Prozent Einfluss nehmen. Bei guter Arbeit lag der Wert bei 85 Prozent.

"Die Integration der Menschen in soziale Netzwerke hat für Gesundheit, Lebenserwartung und Lebensqualität nachhaltige Effekte. Dafür ist auch entscheidend, dass man Zeit zur freien Verfügung hat, und wie groß der eigene Einfluss auf die Gestaltung von Arbeitszeit und Eigenzeit ist. Es geht auch um eine gerechte Verteilung von Arbeit. Zu viel Arbeit macht krank - keine Arbeit zu haben macht ebenfalls krank. Das haben zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen bewiesen", sagt Sylvia Skrabs von der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung in der ver.di-Bundesverwaltung.

Zu den acht Teilaspekten Schichtarbeit, Planungssicherheit, lange, atypische, altersgerechte und flexible Arbeitszeiten, Bereitschaftsdienst / Rufbereitschaft sowie Pausen und Erholungszeiten wurden bei ver.di Powerpoint-Präsentationen entwi- ckelt, die Betriebsräte auf Betriebsversammlungen einsetzen können. Aus dem Material entstanden außerdem Infoblätter, klassisch auf Papier gedruckt, die auch Betriebsgruppen und Beschäftigten die Argumentation erleichtern. Dargestellt werden darin jeweils die gesundheitlichen Risiken, aber auch Wege für die bessere tarifliche oder betriebliche Gestaltung des Zeitproblems.

Sonntagsarbeit und zu kurze Ruhephasen

"Obwohl die Infoblätter noch ganz neu sind, haben wir schon erste Anfragen von Kolleginnen und Kollegen aus dem Einzelhandel, die das Material in ihren Betrieben einsetzen wollen", sagt Sylvia Skrabs. In dieser Branche, in der zu mehr als 70 Prozent Frauen arbeiten, ist die Arbeit am Sonnabend üblich und das Verbot der Sonntagsarbeit wird durch zusätzliche verkaufsoffene Sonntage von der Politik immer weiter aufgeweicht. Darunter leiden die Familien, aber auch die Gesundheit der Beschäftigten wird beeinträchtigt, da die Ruhephasen oft nicht eingehalten werden. Hier können Betriebsräte durch Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber, zum Beispiel über Arbeitszeitkonten, die Situation oft zumindest entschärfen. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird in Betrieben mit Betriebsräten im Schnitt 36 Minuten weniger gearbeitet als in Unternehmen ohne Arbeitnehmervertretung, und geleistete Überstunden werden häufiger - zumindest im Westen Deutschlands - in Freizeit umgewandelt. Die Bedeutung von Ruhephasen hatte bereits Mahatma Gandhi erkannt. Das Infoblatt zu atypischen Arbeitszeiten beginnt mit einem Zitat von ihm: "Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen." SILKE LEUCKFELD

Powerpoint-Präsentationen und Infoblätter auf der Website http://arbeitszeit.verdi.de/material/material_gesund_arbeiten

Die Papier-Infoblätter können bei Sylvia Skrabs bestellt werden: Tel. 030/69561115, E-Mail sylvia.skrabs@verdi.de