Große Läden, kleiner Lohn

Schlecker strukturiert um, ohne Betriebsräte und Beschäftigte zu informieren. Jobs sind in Gefahr

ver.di-Aktion in Remagen

Es kommt nicht oft vor, dass Kund/innen und Beschäftigte gemeinsam gegen die Schließung von Geschäften demonstrieren. Doch genau das ist im rheinland-pfälzischen Remagen in diesem Frühjahr mehrmals geschehen. Zwei Schlecker-Filialen sollen dort geschlossen und durch eine neue ersetzt werden, einen so genannten Schlecker-XL-Markt. In dem neuen Laden wird es weder Tariflohn noch Mitbestimmung geben - anders als in den zur Zeit noch bestehenden Filialen.

"Schlecker verabschiedet sich schleichend aus der bisherigen Filialstruktur", erklärt Achim Neumann, Schlecker-Betreuer bei ver.di. Perspektivisch besteht für etwa 12000 Beschäftigte ein hohes Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren. Der Drogeriediscounter mit Hauptsitz im schwäbischen Ehingen ist dabei, einen radikalen Umbau durchzupeitschen. Die Rede ist von rund 4000 Filialen mit Monatsumsätzen unter 24000 Euro, die geschlossen werden könnten. An ihrer Stelle will Schlecker erheblich weniger, dafür aber wesentlich größere und modernere "XL-Läden" eröffnen.

Gegenüber dem Gesamtbetriebsrat äußert sich die Unternehmensleitung nicht zu ihren Plänen. "Wir müssen uns alle Informationen aus anderen Quellen besorgen und über Einigungsstellen erstreiten", sagt Katrin Wegener, Schlecker-Betriebsratsvorsitzende in Berlin, Mitglied im Gesamtbetriebsrat und Wirtschaftsausschuss. "Das heißt, wir wissen zwar, dass es weitere Schließungen geben wird, aber nicht, wann und wo."

Längst dünnt Schlecker still und heimlich sein Filialnetz aus. Erstmals seit langem liegt die Zahl der Geschäfte bundesweit bei weniger als 10000. "Allein in den letzten vier Jahren wurde die Zahl um mehr als 1000 reduziert", sagt Achim Neumann. Rund 4500 Arbeitsplätze kostete diese Schließungswelle. Bisher konnten die Betriebsräte noch viele Beschäftigte in anderen Filialen unterbringen, andere gingen in Altersteilzeit. Diese Möglichkeiten seien inzwischen nahezu ausgereizt, erklärt Katrin Wegener. "Wir müssen uns auf betriebsbedingte Kündigungen einstellen, können aber erst in Sozialplanverhandlungen einsteigen, wenn Schlecker seine Pläne offenlegt. Das müssen wir über die Arbeitsgerichte erreichen."

Immer weniger Läden

In den XL-Filialen, von denen bisher circa 20 eröffnet wurden, gibt es keine vernünftigen Perspektiven für langjährige Schlecker-Verkäuferinnen. In den neuen Märkten soll es nur befristete Verträge geben, Stundenlöhne zwischen 6,50 und 8 Euro - und keine Mitbestimmung.

"Die XL-Sparte ist als eigenständiges Unternehmen konzipiert, so dass wir als Schlecker-Beschäftigte keine Ansprüche auf Übernahme zu unseren derzeitigen Bedingungen haben", stellt die Betriebsrätin fest. Deshalb plant der ver.di-Fachbereich Handel, bundesweit abgestimmt gegen die drohende Tarifflucht und Aufkündigung der Mitbestimmung durch Schlecker vorzugehen. "Mitte der neunziger Jahre hat die damalige Gewerkschaft HBV erfolgreich gegen sittenwidrige Löhne bei Schlecker geklagt und Betriebsratsstrukturen erkämpft", sagt Achim Neumann. "Die Beschäftigten werden sich ihre Arbeitsplätze und Mitbestimmungsrechte jetzt nicht stillschweigend nehmen lassen."

ver.di-Pläne

Dass sich nun, wie in Remagen, auch die Kund/innen mit den Schlecker- Beschäftigten solidarisieren, ist neu. Diese Art des Widerstands gegen Unternehmensentscheidungen gab es bisher noch nicht.

Auch die Berliner Schlecker-Betriebsrätin Katrin Wegener kann sich vorstellen, in künftige Aktionen Kunden einzubeziehen: "Wir werden alles tun, um das Bestmögliche für die Beschäftigten zu erreichen."

Offenkundig plant Schlecker auch gravierende Umstrukturierungen im Logistikbereich. So soll das Zentrallager in Ehingen, das bisher nur zu 60 Prozent ausgelastet war, künftig stärker genutzt werden - zu Lasten der 17 Regionallager. Bis zu 20 Prozent der Arbeitsplätze könnten dort gestrichen werden, fürchtet Achim Neumann. "Sicher kann Schlecker sein Unternehmen umstrukturieren", sagt der Gewerkschafter. "Aber unter Einbeziehung der Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrates. Dazu gehört, dass sie frühzeitig über die Pläne informiert werden. Wir fordern die Anwendung von Tarifverträgen für die XL-Filialen, einen geordneten Übergang vom alten zum neuen Konzept und angemessene Angebote für das Personal." Auf Heimlichtuerei und Tarifflucht könne es für die Beschäftigten und ver.di nur eine Antwort geben: Widerstand.