Ausgabe 01/2010-02
Als „Klipp & Klar“ plötzlich ausfallen musste
Als "Klipp & Klar" plötzlich ausfallen musste
Es war der längste und härteste Arbeitskampf in der ARD-Geschichte: Seit Oktober kam es beim rbb-Fernsehen und -Hörfunk in mehreren Streikwellen zu Programmausfällen; mit Notsendungen und Wiederholungen musste die Geschäftsleitung die Löcher stopfen. Erst in einem Schlichtungsverfahren konnte eine Lösung gefunden werden: Der rbb zahlt den Beschäftigten einen Sockelbetrag von 40 Euro und zweimal zwei Prozent lineare Gehaltserhöhung. Auch die Honorare der freien Mitarbeiter/innen wurden entsprechend erhöht.
In mehreren Verhandlungsrunden hatte die Geschäftsleitung darauf bestanden, die so genannten Dienstzeitstufen für untere Gehaltsstufen abzuschaffen, die nach mindestens 18 Beschäftigungsjahren eine zweimalige Erhöhung der Gehälter garantieren. Diese Stufen wurden bisher nur am Standort Berlin bezahlt. Gerade für die Beschäftigten mit niedrigen Gehältern wäre es dadurch zu Einbußen gekommen. Jetzt gelten die Stufen auch in Potsdam und sind dauerhaft gesichert. Der Gehalts- und Honorartarifvertrag gilt rückwirkend seit dem 1. Oktober und läuft 24 Monate.
Über Landesgrenzen hinweg erstreikt
"Diesen Erfolg haben die Beschäftigten beim rbb erstreikt", sagt Andreas Köhn, stellvertretender ver.di-Landesbezirksleiter Berlin-Brandenburg. "Besonders wichtig war, dass die Festangestellten und die Freien zusammenstanden und sich nicht durch die Geschäftleitung auseinanderbringen ließen. Und auch die Kolleginnen und Kollegen in Berlin und in Brandenburg haben erfolgreich gemeinsam gehandelt." Stephanie Damm, die ver.di-Verhandlungsführerin für die Festangestellten, stellt fest: "Es gab bisher immer eine Angleichung zum Schlechteren, jetzt endlich auch mal zum Besseren. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Beschäftigten."
Weil die Belegschaft zusammenstand, wurde der Streik auch nicht gebrochen, und die Geschäftsleitung musste bei Sendeausfällen auf Konserven ausweichen. Das war zum Beispiel Ende Oktober der Fall, als die Diskussionssendung Klipp & Klar ausfiel. Das Publikum im Studio wartete schon gespannt auf den Beginn, als die Streikenden mitteilten, dass die Sendung nicht stattfinden würde. Doch statt zu murren, weil sie sich umsonst auf den Weg gemacht hatten, applaudierten die Zuschauer den rbb-Beschäftigten.
Jürgen Schäfer war ver.di-Verhandlungsführer für die Freien und ist selbst als freier Journalist für den rbb tätig. Er sieht den Grund für die hohe Streikbereitschaft in der Stimmung der Belegschaft: "Die Kollegen waren nicht nur durch eine Erhöhung der Gehälter und Honorare motiviert, die sie durchsetzen wollten, sondern auch durch ihre große Unzufriedenheit mit der Geschäftsleitung."
Und die hatte ihren Grund: Die Fusion von Ostdeutschem Rundfunk Brandenburg (ORB) und dem Sender Freies Berlin (SFB) im Jahr 2003 sollte zu einem Abbau von Doppelstrukturen führen. Tatsächlich ist die Zahl der Abteilungsleiter seitdem jedoch gestiegen. Und auch die außertariflich bezahlten Stellen wuchsen von 19 im Jahr 2005 auf aktuell 25. Gleichzeitig beklagt die Geschäftsleitung sinkende Gebühreneinnahmen und streicht Sendungen aus dem Programm. Anfang 2009 wurde die Hörfunkwelle multikulti komplett eingestellt, doch auch bei den einzelnen Hörfunkwellen und im Fernsehprogramm wurde gekürzt. Im Wirtschaftsplan für das Jahr 2010 hat der rbb weitere 14,5 Planstellen gestrichen. Aktuell verfügt der Sender noch über 1477 Stellen, das sind 285 weniger als zum Zeitpunkt der Fusion.
Doch das Streichkonzert geht weiter
Für dieses Jahr erwartet der Rundfunk Berlin-Brandenburg 348,5 Millionen Euro Gebühreneinnahmen, 4,7 Millionen Euro weniger als im vergangenen Jahr. Nach einem Überschuss von mehr als 13 Millionen Euro im Vorjahr wird mit einem Fehlbetrag von 2,1 Millionen Euro gerechnet. Dabei wurde im Programmetat, aus dem die Freien bezahlt werden, die mit den Streiks durchgesetzte Honorarerhöhung noch nicht einmal eingerechnet. Um das Etatloch zu füllen, wird jetzt getrickst: Den freien Mitarbeiter/innen wurden ihre Arbeitstage gekürzt, um ihnen unter dem Strich doch weniger zahlen zu müssen. "Doch das hätte die Geschäftsleitung sowieso gemacht", stellt Jürgen Schäfer klar. "Die Freien sind die einzige Verfügungsmasse, die der rbb hat." sil