Stolberg, April 2008: Nazis nutzen den Tod eines 19-Jährigen in einem privaten Streit für ihre Propaganda

Von Uwe Reepen

"Es war ein Schock. Damit hatten wir nicht gerechnet. Schnell war uns aber klar, dass wir jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen können, sondern etwas tun wollen - und müssen." So beschreibt Kurt Heiler vom ver.di-Bezirk Aachen/Düren/Erft die Reaktion der ver.dianer/innen nach dem Einzug der NPD in den Stadtrat der Kleinstadt Stolberg an der Grenze zu den Niederlanden. Die Wahl der zwei NPD-Vertreter und eines DVU-Mitglieds war die Initialzündung für die Gründung der Arbeitsgruppe gegen Rechts im ver.di-Bezirk. Corinna Groß, ver.di-Geschäftsführerin im Bezirk, sagt: "In der Öffentlichkeit wird das Problem des Rechtsextremismus meist mit den neuen Bundesländern in Verbindung gebracht. Wir beobachten, dass sich der braune Mob immer stärker im Westen der Republik festsetzt. Bereits seit Jahren veranstalten die Neonazis Anfang April ein Treffen in Stolberg, führen in Düren Aufmärsche durch und bedrohen in Aachen Demokraten." Jüngst war der Versuch der NPD in den Schlagzeilen, in Düren eine Gaststätte zu kaufen und daraus ein Schulungszentrum zu machen. Ein Vorhaben, das viele Menschen verhindert haben: Am 7. März demonstrierten in der Kleinstadt über 700 Nazigegner/innen. Ziel der ver.di-Arbeitsgruppe gegen Rechts war es von Anfang an, gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Kräften gegen die Rechten vorzugehen. So gelang es im vergangenen Jahr, den Nazi-Aufmarsch in Stolberg aus der Innenstadt fernzuhalten. "Gemeinsam mit Sportvereinen, Geschäftsleuten, Schützenvereinen, Gewerkschaften und Parteien ist es gelungen, die Stadt dicht zu machen", sagt Kurt Heiler. "Es gab ein Familienfest, Infostände, Konzerte und Veranstaltungen. Die Stadt war so voll, dass die Nazis es nicht gewagt haben, in die Stadt zu kommen." Für den 2. und 3. April dieses Jahres haben sich die Aktiven vorgenommen, Stolberg wieder nazifrei zu halten.

Wo stand die Synagoge?

Die ver.di-Arbeitsgruppe organisiert nicht nur Gegendemonstrationen gegen Rechts. Corinna Groß und die anderen wollen ver.di-Mitglieder und andere darüber aufklären, was es bedeutet, wenn die Rechten in der Region stärker werden und bei Wahlen immer mehr Stimmen erreichen. So lädt die Arbeitsgruppe zu alternativen Stadtrundgängen in Aachen und Düren ein und informiert auf diesen Touren vor allem junge Leute über die Zeit des Faschismus in der Region. Kurt Heiler berichtet: "Viele wissen heute nicht mehr, wo in Aachen die Synagoge stand, wo die Gestapo ihr Haus hatte oder welche Widerstandskämpfer hier gelebt haben." Schon zum zweiten Mal bietet die Arbeitsgruppe gemeinsam mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in diesem Jahr eine Gedenkfahrt in das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald an, um dort mit Zeitzeugen zu reden. Mit Blick auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Anfang Mai organisiert der Arbeitskreis auch die Veranstaltung "Droht eine Gefahr von Rechts?" und stellt Themen zur Debatte wie "Frauen und Rechtsextremismus" oder "Rechtsextremismus im Betrieb". An der Regionalkonferenz "Aktiv gegen Rechts" in Eschweiler nahmen über 100 Menschen teil, darunter die Bürgermeister und Oberbürgermeister von Aachen, Eschweiler und Stolberg. In ihrer Abschlusserklärung warnten sie vor der Verharmlosung von Rassismus und Neonazismus in der Region: "Wir finden uns nicht damit ab, dass die gefährlichen Ideen der Neonazis als Teil der Demokratie betrachtet werden. Für uns ist Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen." Die Konferenz war der erste Schritt zur Vernetzung der Nazigegner/innen in der Region. Gespräche mit Antifaschisten in Belgien und den Niederlanden haben begonnen.