Der ver.di-Gewerkschaftsrat hat in seiner Dezember-Sitzung eine neue Fassung des Manifests zur Europapolitik vom Oktober 2008 verabschiedet. Denn die Folgen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzmarktkrise wirken sich auch auf die europäische Politik aus, was sich nicht nur in den finanziellen Schieflagen von Griechenland und Irland zeigt. "Eine Währungsunion, die derartige Leistungsunterschiede zulässt, wird scheitern", sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske bei der Sitzung des Gewerkschaftsrats.

Sowohl in der Finanzmarkt- als auch in der Wirtschaftskrise hätten die EU-Staaten "zunächst uneinheitlich und unabgestimmt" reagiert, kritisiert ver.di in der Neufassung des Manifests. Die nationalen Rettungsschirme unterscheiden "sich im Umfang und vor allem im Ausmaß staatlicher Interventionen in das Bankensystem sehr deutlich". Insbesondere das deutsche Vorgehen wird stark kritisiert. Das erste Konjunkturprogramm sei dürftig, das zweite überhaupt erst nach der sich abzeichnenden Isolation auf europäischer Ebene zustande gekommen. Es sei zu spät gekommen und "enthält aufgrund seiner Struktur keinen starken Impuls für den privaten Konsum".

Öffentlichen Sektor stärken

"Kurzfristig muss es darum gehen, die nationalen Politiken auf EU-Ebene stärker zu koordinieren, um die wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume besser zu nutzen und eine angemessene Abstimmung zwischen der europäischen Geld- und der europäischen Fiskalpolitik zu erreichen", heißt es in der verabschiedeten Neufassung. Dazu müsse die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit dem Rat der Wirtschafts- und Finanzminister und dem Europäischen Parlament die Kompetenz übertragen werden, die Grundrichtung der Fiskalpolitik der Mitgliedsstaaten festzulegen. Dies wäre eine erster Schritt, eine europäische Wirtschaftsregierung zu installieren. Mittel- und langfristig ist es nach ver.di-Sicht erforderlich, die "wirtschafts- und konjunkturpolitische Entscheidungskompetenz auf die europäische Ebene zu verlagern".

Auch zur Bedeutung der europäischen Daseinsvorsorge wurde ein neues Kapitel in das Manifest eingefügt. Die sieht ver.di durch die EU-Richtlinien gefährdet. Sie zielten vornehmlich darauf ab, Wettbewerb zu schaffen, hätten aber eher zu Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen als zu mehr Wettbewerb geführt: "Denn staatliche Monopole wurden im Verlaufe der Liberalisierung häufig nur durch private Oligopole ersetzt." Stattdessen sollte, so fordert ver.di in dem Manifest, der öffentliche Sektor dazu genutzt werden, qualitativ hochwertige Jobs zu schaffen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und Druck auf verbesserte Arbeitsbedingungen im privaten Sektor auszuüben. Gleichzeitig könnte der öffentliche Sektor eine zentrale Rolle bei der Entwicklung innovativer Produkte, Produktionstechniken oder Dienstleistungen spielen.