Die Mittel für eine sinnvolle Arbeitsmarktpolitik sollen weiter bedenkenlos zusammengestrichen werden. Ein neuer Gesetzentwurf trägt mit dazu bei

von Heike Langenberg

Der Existenzgründungszuschuss wird Ermessenssache

"Arbeitsmarktpolitische Instrumente" ist ein sperriger Begriff. Gemeint sind damit die Maßnahmen, mit denen Menschen in Arbeit gebracht werden sollen. Dazu zählen die Umschulung genauso wie Hilfen beim Übergang von der Schule ins Berufsleben, dem Verbleib in einem Beruf oder die Teilhabe Schwerbehinderter. Im Wesentlichen sind es Menschen ohne Arbeit, die von diesen Instrumenten profitieren.

Diese arbeitsmarktpolitischen Instrumente will die Bundesregierung jetzt reformieren. Dazu hat sie einen "Gesetzentwurf zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt" vorlegt. "Die neuerlichen Eingriffe dienen jenseits aller Beteuerungslyrik vorrangig der krisenbedingten Haushaltskonsolidierung", heißt es in einer Stellungnahme von ver.di. Die Eingriffe folgten dem altbekannten Muster, Leistungen und Instrumente dem vorgegebenen Haushaltsrahmen anzupassen.

Im Bundeshaushalt 2011 stehen 5,3 Milliarden Euro für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen über die Jobcenter zur Verfügung. Das sind 25 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Im Sparpaket der Bundesregierung ist vorgesehen, dass in den Jahren 2012 bis 2014 insgesamt 16 Milliarden Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik gestrichen werden sollen. Hinzu kommt, dass die Bundesagentur in Zukunft weniger Mehrwertsteuermittel erhalten soll. Damit fehlen ihr bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr für arbeitsmarktpolitische Leistungen. Im Gegenzug finanziert der Bund den Kommunen die Grundsicherung im Alter.

Erfolg zählt nicht

Evelyn Räder, Referentin für Arbeitsmarktpolitik beim ver.di-Bundesvorstand, nennt als Beispiel für den Sparwahn den Existenzgründungszuschuss. Er soll zur Ermessensleistung werden, obwohl mehrere Studien nachweisen, dass er sich positiv auswirkt. Räder verweist auf Forschungsergebnisse, nach denen 55 bis 70 Prozent der Geförderten fünf Jahre nach der Auszahlung noch in Vollzeit oder Teilzeit selbstständig waren. Weitere 20 Prozent waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Während das Gesetz - so es Bundestag und Bundesrat durchlaufen hat - zum 1. April 2012 in Kraft treten könnte, sollen die Bedingungen für den Gründungszuschuss bereits mit der Verkündung des Gesetzes erschwert werden. Das wird im November sein. Die Selbstständigen und freien Mitarbeiter/innen in ver.di haben eine Kampagne für den Erhalt des Zuschusses gestartet und auf der Website http://freie.verdi.de/politik_kampagnen/existenzgruendungszuschusss zahlreiche Erfolgsbeispiele zusammengestellt.

"Der Punkt zeigt, dass es der Regierung in erster Linie ums Sparen geht", sagt Evelyn Räder, denn drei Viertel der Mittel für Existenzgründungen sollen zukünftig gestrichen werden. Auch die Bedingungen für junge Menschen werden durch die geplante Reform verschlechtert. "Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf entzieht sich der Bund erneut der Verantwortung für die Unter-25-Jährigen. Ihnen werden kaum brauchbare Angebote gemacht", heißt es in der ver.di-Stellungnahme. Jugendliche ohne Berufsabschluss leiden unter einem Hin- und Herschieben von Verantwortung, eine sinnvolle Maßnahme wie die erweiterte Berufsorientierung soll bis Ende 2013 befristet bleiben. Durch die weiterhin ungeklärte Co-Finanzierung und die fehlende konzeptionelle Unterlegung bleibt sie unverbindlich. "Die Chancen, dass Arbeitslose sinnvolle arbeitsmarktpolitische Leistungen erhalten, sinken mit der Reform radikal", kritisiert Evelyn Räder den Gesetzentwurf. Sie befürchtet, dass die arbeitsmarktpolitischen Instrumente dann abhängig von der Kassenlage werden - und gespart werden soll in jedem Fall.

Am 23. September soll der Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung im Bundestag verabschiedet werden. Mitte Oktober wird er im Bundesrat auf der Tagesordnung stehen. Bis dahin wollen die ver.di-Bezirke noch einmal auf die Bundestagsabgeordneten zugehen und die geplante Reform zum öffentlichen Thema machen. Denn vor Ort sind die Auswirkungen des Spardrucks bereits zu spüren. Viele Jobcenter-Beiräte und Verwaltungsausschüsse der Arbeitsagenturen berichten schon jetzt von starken Einsparungen bei der Weiterbildung.