Ausgabe 02/2014
Eingetreten, um zu bleiben
Viele ver.di-Mitglieder sind nicht nur in der Gewerkschaft, damit der "Verein" für sie mehr Lohn und Gehalt rausholt, wofür man und frau dann auch mal streikt. Ganz im Gegenteil: Sie sagen, sie sind die Gewerkschaft und gestalten sie mit. Und das auch noch, wenn sie schon gar nicht mehr arbeiten gehen. Denn jetzt können sie so richtig mitmachen...
Ingrid Kröning
Ingrid Kröning, 76 Jahre:
"Ich bin nahtlos von der Erwerbs- in die Seniorenarbeit gewechselt"
Menschen, die aus dem Arbeitsleben ausscheiden, haben eine andere Zeiteinteilung als vorher. Die kann man mit all seinen Berufs-, Lebens- und Gewerkschaftserfahrungen für den weiteren Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zur Verfügung stellen und sollte es auch. Gewerkschaften kommen dichter an die Menschen in den Betrieben und an anderen Orten heran als Parteien und andere Organisationen und können so für bessere Daseinsvorsorge im Detail viel erreichen. Das waren meine wichtigsten politischen Beweggründe, auch 1996 nach meinem Ausscheiden aus dem Friedrichstadtpalast in Berlin bei der IG Medien zu bleiben und von 1998 bis zur ver.di-Gründung als ehrenamtliche stellvertretende Landesbezirksvorsitzende zu arbeiten.
Ich habe also nie an einen Austritt gedacht und bin nahtlos von der Erwerbs- in die Seniorenarbeit gewechselt. Für mich persönlich gibt es viele Gründe für ver.di. Es reizte mich, in Berlin und Brandenburg zu helfen, funktionierende Senior/innen-Strukturen wohnortnah aufzubauen. Inzwischen ist es immer ein Erlebnis, mit gleichgesinnten Kolleginnen und Kollegen zusammenzutreffen, zu diskutieren und aktiv zu sein, von der Jubilarehrung über Streiks und andere Aktionen bis hin zu Fahrten und Feiern. Wichtig ist mir auch, gemeinsam mit Vertretern aller Generationen in den unterschiedlichsten ver.di-Gremien Erfolge zu erstreiten, wenn auch oft in ganz kleinen Schritten, zum Beispiel beim Mindestlohn oder dem Kampf um die Angleichung des Rentenwertes Ost an West oder bei sozialen Problemen bei Alterssicherung, Wohnen, Gesundheit und Pflege. Das alles hält länger geistig fit.
ver.di war immer an meiner Seite bei der Durchsetzung meiner Rechte im Berufsalltag und bei der Durchsetzung persönlicher Rechte wie beim Rechtsstreit um Zahlung einer Entschädigungsrente für Verfolgte des Nationalsozialismus.
Mit ver.di beuge ich gegen Altersvereinsamung vor. So bunt wie ver.di selbst ist, so bunt kann man sein, um das Alter mit Hilfe der Gewerkschaft und dem eigenen Mittun dort zu gestalten. Man lernt immer Neues dazu!
Uwe Wypior
Uwe Wypior, 52 Jahre:
"Als Multiplikator fungiere ich auch außerhalb des Arbeitslebens"
Genauso wie ich in der Zeit meines Erwerbslebens nach Feierabend weiterhin Gewerkschaftsmitglied geblieben bin und es nicht nur während der Arbeitszeit war, bin ich es auch nach dem unfreiwilligen krankheitsbedingten Ausscheiden aus dem Berufsleben geblieben. Als Mitglied habe ich Rechtsschutz in allen sozialen Fragen und diesen auch schon in Anspruch nehmen müssen. Zudem bin ich aktiv als Gründungsmitglied im ver.di-Ortsverein Artland, wo ich meine bei der Gewerkschaft erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen wie etwa im Bereich Schwerbehindertenpolitik einbringen kann. Gerade zur Entwicklung dieses, auch in ver.di leider viel zu wenig berücksichtigten Themas der "Teilhabe" kann ich nur in einer Organisation wie ver.di beitragen.
Ich nehme regelmäßig an ver.di- Seminaren teil, die mir Zusammenhänge in Wirtschafts- und Sozialpolitik oder auch Geschichte klarer machen. So kann ich als Multiplikator auch außerhalb des Arbeitslebens fungieren und mitreden. Wenn ich so neben voller Verpflegung und angenehmer Umgebung bei Fahrtkostenzuschuss noch Wissen erhalte, dann habe ich meinen Mitgliedsbeitrag lange wieder raus und auch noch den einen oder anderen Kontakt geknüpft.
Und mit diesen Argumenten ist es mir schon mehrfach gelungen, neue Mitglieder zu werben und auch den einen oder anderen ver.dianer davon zu überzeugen, dass es wichtig ist, sich für die Gewerkschaft und damit auch für unsere Gesellschaft einzubringen und weiterhin ver.di-Mitglied zu bleiben.
Helgard Eilers
Helgard Eilers, 70 Jahre:
"Es gibt keine andere Interessenvertretung für uns"
Ich bin seit 1963 Gewerkschaftsmitglied, also seit einem halben Jahrhundert. Auch wenn nicht jedes Mitglied mit allem einverstanden sein wird, was in einer Organisation so läuft, ist doch entscheidend, dass Gewerkschaften auch heute noch für gute Arbeits- und Lebensbedingungen der abhängig Beschäftigten eintreten und in der Folge auch für uns Rentner/innen und Pensionäre. Dass dieses Geschäft in der heutigen Arbeitswelt oft nur noch Schadensbegrenzung ist, liegt an der aggressiven Arbeitgeberpolitik und nicht in der Hand der Gewerkschaften. Kurzum: Es gibt keine andere Interessenvertretung für uns.
Darüberhinaus genießen auch wir Senior/innen die Vorteile der Informationen, die sich aus der Mitgliederzeitung ver.di publik und den Netzen der modernen Techniken erfahren lassen. Dazu gehören auch Informationen über den Mitgliederservice. Klärungsbedarf haben wir immer wieder in Rentenfragen oder bezüglich der Krankenkassen und bei anderen Fragen. In ver.di steht uns der Beratungs- und Rechtsschutz zu. Und seit Rentner/innen zur Versteuerung herangezogen werden, können wir auch den Lohnsteuerservice, den ver.di ihren Mitgliedern bietet, weiter in Anspruch nehmen.
Wichtig ist mir zudem das umfangreiche gewerkschaftspolitische Bildungsprogramm. Die ver.di- Geschäftsstellen sind überall vor Ort oder ortsnah, Ortsvereine für alle Mitglieder bieten speziell auch für Menschen nach dem Arbeitsleben ihre Dienste an, Mitmachgruppen und Versammlungen zum Beispiel. Dort ist auch Raum für Hobbys und Klönschnack. Die Angebote zu nutzen, ist und bleibt aber die Aufgabe jedes einzelnen Mitglieds. Oder wie ein "alter" Kollege immer sagt: Man muss nicht nur davon reden, man muss es auch tun!