von Helga Ballauf

In der Berufsschule haben sie immer anerkennend genickt, wenn der Azubi von seinem Ausbildungsplatz in der Banknotendruckerei Giesecke & Devrient (G&D) erzählte. Toll, ein Unternehmen mit Prestige und Perspektive! Kein schlechter Start für einen jungen Medientechnologen im Bereich Druck, hieß es da. Doch jetzt ist alles anders. Wird, wie angekündigt, die Drucksparte des Traditionsunternehmens G&D in München komplett geschlossen, wird es schwer werden, eine gleichwertige Arbeit zu finden, auch anderswo in der Republik. Da blieben gerade noch das Werk von G&D in Leipzig oder die Bundesdruckerei in Berlin. Eine Einschätzung, die ein Kollege mit 25 Jahren Berufserfahrung in der Gelddruckerei teilt: "Wir sind hier hochspezialisiert auf ganz bestimmte Maschinen und Verfahren. In einem anderen Betrieb müssten wir wieder von vorne anfangen."

800 Arbeitsplätze in München, insgesamt 1000 weltweit

Kurz vor Weihnachten drohte die Unternehmensleitung an, rund 800 Arbeitsplätze in München zu vernichten: Ende des Banknotendrucks, Verlagerung der Arbeitsfelder Kartenpersonalisierung und Banknotensicherheitssysteme. Die Begründung: München sei zu teuer; es gebe Überkapazitäten am Markt; Konkurrenten täten sich leichter, weil sie staatliche Subventionen erhielten.

Damit nicht genug: Von den 11.600 Beschäftigten weltweit müssen insgesamt knapp 1000 Arbeitnehmer/innen gehen, auch in der Verwaltung, in Forschung und Entwicklung.

Ein Paukenschlag, den so niemand erwartet hatte, nicht die Belegschaft, nicht die Betriebsräte, nicht die Gewerkschaft ver.di. Man habe zwar gewusst, dass die Firma umsteuern müsse, sagt der Betriebsratsvorsitzende Walter Bogner. Über das nun bekannt gewordene Ausmaß der Einschnitte aber sei er "total entsetzt". Und wütend. Denn auch im Aufsichtsrat hatte Arbeitnehmervertreter Bogner im Vorfeld nichts von entsprechenden Plänen des Unternehmens erfahren. "Es ist empörend, dass die Firma kein alternatives Szenario zur Schließung des Standorts vorlegt", kritisiert Bogner. Seit langem beklagen Gewerkschaft und Betriebsrat, wie kopflos, wie hilflos das Management entscheidet.

Der billigste Anbieter druckt die Euro-Scheine

Tatsächlich hat der Hightech-Konzern Probleme am Markt. Sie hängen mit der deutschen Vergabepolitik beim Druck der Euro-Scheine zusammen, erklärt ver.di-Sekretär Karl-Heinz Kaschel- Arnold. Die Bundesbank schreibe alle Aufträge europaweit aus; den Zuschlag erhalte der billigste Anbieter - zum Schaden etwa von Giesecke & Devrient. Andere Notenbanken machten das nicht. "So werden die Arbeitgeber zum Opfer ihrer eigenen Polemik, nach der sich der Staat aus der Wirtschaft heraushalten und alles dem Markt überlassen soll", sagt der Gewerkschafter.

Dann ist selbst mit dem Drucken von Geld kein Geld mehr zu verdienen? Das wäre übertrieben. Außerdem ist G&D beim Entwickeln von sicheren Chipkarten und bei der Herstellung von Reisepässen - gemeinsam mit der Bundesdruckerei - gut im Geschäft. "Die Gewinne mögen nach einem stetigen Anstieg in den letzten Jahren gesunken sein, aber Verluste macht G&D operativ nicht", heißt es in einer Erklärung der Beschäftigten, die bei ver.di organisiert sind.

Was hinter dem Kahlschlag steckt

Es mehren sich die Anzeichen, dass hinter dem angekündigten Kahlschlag etwas anderes steckt: die Absicht der Eignerfamilie, das Firmengelände in bester Münchner Immobilienlage zu verkaufen und so mehr Geld zu verdienen, als es mit der Banknotenproduktion möglich wäre. G&D hat diesen Verdacht in einem Brief an die Belegschaft Ende Januar barsch zurückgewiesen. Zugleich heißt es in dem Schreiben, sobald der Notendruck in München eingestellt sei, "wird der Standort allerdings in seiner heutigen Form nicht mehr wirtschaftlich sein". Ein Dementi sieht anders aus.

Die Beschäftigten wehren sich. Auf einer ver.di-Mitgliederversammlung forderten sie, alle Münchner Fertigungsbereiche in der Stadt zu belassen. Schlimmstenfalls können sie sich den Umzug auf das Werksgelände von G&D im Alpenvorland, in Louisenthal, vorstellen. Eine betriebliche Tarifkommission hat einen Ergänzungstarifvertrag entworfen, "um Stellenabbau durch Versetzungen, Arbeitszeitreduzierungen und freiwilliges Ausscheiden sozialverträglich zu gestalten". G&D ist allerdings nicht zu Verhandlungen bereit. Man werde alles Nötige mit dem Betriebsrat klären, heißt es in der Antwort an ver.di vom 22. Januar. Nun werden alle gewerkschaftlichen Mittel ausgeschöpft, kündigt ver.di-Sekretärin Sabine Pustet an, Protestaktionen, politischer Druck und "zu gegebener Zeit auch Arbeitskampfmaßnahmen".