ver.di-Aktion im Dezember vor einem Tengelmann-Markt

von Gudrun Giese

Die Geschäfte der Kaiser's-Tengelmann-Kette gehörten lange zum vertrauten Inventar deutscher Einkaufsstraßen. Der allmähliche Abstieg des traditionsreichen Lebensmitteleinzelhändlers, dessen Vorläufer "Kaiser's Kaffee" 1880 in Viersen und "Tengelmann" 1893 in Düsseldorf gegründet wurden, begann vor Jahren - weitgehend unbemerkt. Das Filialnetz schrumpfte auf etwas über 450 in den Regionen Nordrhein-Westfalen, München und Berlin. Als der Eigentümer Karl-Erivan Haub im Oktober 2014 ankündigte, die verbliebenen Geschäfte an Edeka, den Marktführer im Lebensmitteleinzelhandel, zu verkaufen, löste das Ängste aus, aber auch Protest.

"Schlimm ist für viele Beschäftigte die Hängepartie zwischen der Verkaufsankündigung und der Entscheidung des Bundeskartellamtes", sagt Hubert Thiermeyer, der Leiter des Landesfachbereichs Handel bei ver.di Bayern. Anfang März wird mit dem Votum der Behörde gerechnet, ob Haub an Edeka verkaufen darf oder nicht. In München würden derweil Tengelmann-Beschäftigte zum Teil offensiv abgeworben, berichtet Hubert Thiermeyer. Auch in den beiden anderen Regionen schauen sich manche Beschäftigte nach einem anderen Job um. Dabei könnte es durchaus noch einige Zeit weitergehen mit Kaiser's-Tengelmann. "Wir gehen nicht davon aus, dass das Kartellamt den Verkauf genehmigen wird", sagt Thiermeyer. Gegen eine solche Entscheidung könnte Eigentümer Haub zwar klagen, doch werde sich das Verfahren länger hinziehen.

Drei Jahre Verzicht

Ein Verkauf an Edeka wäre nicht nur wegen der weiter wachsenden Marktmacht des Unternehmens problematisch. "Edeka steht für Filial-Privatisierungen, was mit Tarifflucht und Aushebelung der Mitbestimmung einhergeht", sagt Janetta Jöckertitz, die Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Kaiser's-Tengelmann. Die oft langjährig Beschäftigten wollen aber auch künftig nicht auf Betriebsräte und Tarifentgelt verzichten. Wobei sie in den zurückliegenden Jahren durchaus schon Verzicht für den Erhalt des Unternehmens geleistet haben. "Drei Jahre lang haben alle Beschäftigten über einen Zukunftstarifvertrag Einbußen bei der Entlohnung hingenommen", sagt Manfred Schick, Betriebsratsvorsitzender bei Tengelmann in Bayern. Diese Mittel wurden in die Modernisierung der Filialen und in neue Märkte gesteckt.

Doch der Aufbruch kam offenbar zu spät. "Ab 2013 galt erstmals wieder der reguläre Entgelttarifvertrag - und kurz darauf hieß es bereits, dass an Edeka verkauft wird", erinnert sich Schick. Die Modernisierung habe nicht ausreichend mehr Umsatz in die Filialen gebracht. Wegen des viel kleineren Filialnetzes erhalte Kaiser's-Tengelmann deutlich schlechtere Einkaufskonditionen als die großen Wettbewerber Edeka, Rewe, Aldi und Schwarz - und verlange entsprechend höhere Verkaufspreise. "Gleichzeitig ist Tengelmann in München mit vielen kleinen Märkten ein wichtiger Nahversorger in den Wohngebieten", sagt der Betriebsratsvorsitzende.

Aktionen und Solidarität

In München haben Betriebsräte, Beschäftigte und ver.di mit mehreren Aktionen gegen den Verkauf der Kette öffentlichkeitswirksam protestiert. 8 000 Beschäftigte aus allen drei Regionen schickten zu Weihnachten Protestkarten an Eigentümer Haub, und im Januar wurde eine bundesweite Solidaritätsinitiative im Handel mit den Kolleg/innen bei Kaiser's-Tengelmann gestartet, die auf große Resonanz traf. "Bis zur Entscheidung des Kartellamtes wird es weitere Aktionen geben", sagt GBR-Vorsitzende Janetta Jöckertitz. "Inzwischen wurde eine zweite Postakartenaktion gestartet."

Dass die Beschäftigten motiviert sind, sich gegen Verkauf, Zerschlagung und mögliche Privatisierungen einzusetzen, zeigte auch eine Mitgliederversammlung, zu der 150 in ver.di organisierte Beschäftigte in Berlin zusammenkamen. "Sie wollen endlich eine Entscheidung nach der langen Wartezeit", so Jöckertitz. Fest steht, dass es am 12. März in allen Regionen Betriebsversammlungen geben wird, bei denen die dann bekannte Kartellamtsentscheidung im Mittelpunkt stehen soll. Wie immer die Behörde entscheidet, für die Beschäftigten gehe es um ihre Arbeitsplätze, den Schutz durch Betriebsräte, Erhalt der Tarifbindung und Verhinderung von Filial-Privatisierungen, so Thiermeyer. Hier sei auch die Politik gefragt; die Sicherung guter Arbeitsplätze liege schließlich im gesellschaftlichen Interesse.